Wenn es darum geht, ein unfassbares Verbrechen zu erklären, gibt es oft den Vorwurf, es gehe dabei nur um die Täter. Wie gehen Sie mit solchen Vorwürfen um?
Indem für mich von Anfang an ganz klar war, dass das Opfer nicht anonym
abgefeiert wird. In den Passagen, in denen Marinus Mutter und ein
Freund über ihn sprechen, wird auch klar, dass er nicht in das
Opfer-Klischee reinpasst. Wichtig war für mich auch: Die Mutter hat das
Schlusswort. Aber auch sie ist ambivalent in ihrer alttestamentarischen
Rache-Vision. Und wenn ihre Demütigung darüber, dass sie nicht einmal
Geld für einen Grabstein hat und vom Landesvater Matthias Platzeck nur
einen Händedruck erhält, in Ressentiments umschlägt. Für ihre
Gedenkstätten haben sie das Geld, sagt sie dann. Ich wollte sie nicht
als pure, leidende Heldenfigur darstellen, sondern zeigen: Es gibt auch
bei ihr Seiten, da kann ich nicht mitgehen.
Nachdem Sie diesen Film gemacht haben: Denken Sie, dass der Mensch von Natur aus gut ist?
Ich würde nicht sagen, von Natur aus gut, aber entwicklungsfähig. Ich glaube weiterhin, dass ein Mensch sich verändern kann. Ich bin ein absoluter Verfechter des freien Willens. Ich glaube, dass es eine Möglichkeit gibt, sich auch nach so einem Verbrechen anders zu entscheiden. Dass die Täter nicht lebenslänglich auf diese Tat zu reduzieren sind.
Haben Sie auch nach Abschluss des Films noch Kontakt zu den Gesprächspartnern?
Natürlich. Gerade jetzt zur Berlinale haben wir wieder viel miteinander gesprochen. Das kann man nicht einfach so abstellen.
"Der Kick" ist in Anwesenheit des Regisseurs auf der Berlinale noch am Sonntag, 19.02., im Colosseum zu sehen. Im September startet der Film bundesweit in den Kinos.