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Spiesser

Hau ab, Horst Tappert!

Vorbei das schöne Leben. Jetzt kommen die neuen Spießer. Sagen alle

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Ich lebe in Angst. Ständig schaue ich mich seit einiger Zeit nach der neuen jungen Generation namens Golf, Golf zwei, Nutella, Zuversicht, Arbeitslos oder Berlin um. Diese Menschen machen mir Sorgen. Trend- und Jugendforscher sagen: Sie sind konservativ und haben das Spießige wiederentdeckt. Sie sind familienorientiert und karrierebewusst. Sie lehnen politische Ideologien ab. Wichtiger sind Leistung und Erfolg. Sie finden es überhaupt nicht schlimm, Anzüge zu tragen, studieren liebend gerne Benimmbücher und mögen Pauschalurlaube. Wenn sie politisch sind, dann sind sie pragmatisch und zielorientiert. Ein schlanker Staat ist wichtig, Eigenverantwortung auch. Umweltschutz nicht so.

Als Geschichtsstudent finde ich diese Gruppe bedrohlich. Solche Leute könnten nerven. Ich kann es mir gut vorstellen, wie sie mir auf die Pelle rücken: "Belastest du die Solidargemeinschaft nicht etwas zu sehr, Freundchen?" - "Du hast wohl auch noch nicht gehört, dass man nicht mehr 'Gesundheit' sagt, oder?" - "Ich finde deinen Drogenkonsum etwas anstrengend, Christian." Bisher verband uns Studenten, Grafikdesigner, Ergotherapeuten, gefühlte Künstler und Großstadtarbeitslose die ständige Bereitschaft zur Weltrevolution. So bald wie möglich. Wenn auch nur rhetorisch. Na ja, und Gras lag irgendwie immer auf dem Tisch.

Aber was da jetzt auf uns zukommt, muss schlimm sein. Die Werbeagentur BBDO hat eine Studie durchgeführt und herausbekommen, dass die Jugend von heute eine "ernsthaftere und in konkreten Werten verwurzelte Generation" sei. Das würde sie auch als Konsumenten interessant machen. Daraufhin haben sie gleich mal für die LBS die "Papa, ich will auch mal Spießer werden"-Kampagne gestartet. Die LBS sagt, dass die Aktion bei jungen Menschen fantastisch angekommen ist und dass ihre Spießer-T-Shirts weggehen wie warme Semmeln. Ich habe noch keinen mit diesem Shirt gesehen, aber man kann davon ausgehen, dass sie eines Tages auch hier auftauchen werden. Mit diesen jämmerlichen Vernunftfundis werden wir zu kämpfen haben. Für die anstehenden Auseinandersetzungen dichte ich schon Kampflieder:

"Astra-bier statt Tiefga-ra-gen! / Lieber Gras als Kin-der-wa-gen!"
Oder auch: "Nie, nie, nie wieder Eppendorf!"
Oder auch: "Ho-Ho-Hoch die Flasch-en!"
Allerdings könnten sie auch kontern, die neuen Vernünftigen: "Racklett, Passat und Schre-ber-gar-ten / das sind wir, die neuen Har-ten!"

Es heißt wachsam sein und die Tür im Auge behalten. Auch bei uns selbst. Denn es wachsen ja nicht nur Armeen blutrünstig verantwortungsbewusster, ernsthafter Nichtalkoholiker heran. Auch wir selbst sind gefährdet. Das Spießertum hat ja bekanntlich schon die 68er ergriffen, nachdem sie sich so richtig ausgetobt hatten. Jetzt haben sie zwar immer noch Mitleid mit den Ausgebeuteten, aber leider beruflich zu viel zu tun, um sich mit diesen Problemen auseinander zusetzen. Und auch bei mir entdecke ich mit 26 Jahren Tendenzen, die man schon als verdächtig bezeichnen könnte. In unserer Vierer-WG hängt seit kurzem ein Putzplan. Den wir einhalten! Anti-Nazi-Demos für mich sind kein Selbstgänger mehr, der Kampf gegen Ökonomisierung und Repression fängt an, mich zu langweilen. Und der Sonntagabend ist Tatort-Zeit. Anschließend Philosophisches Quartett. Ich bin verwundet, aber gefallen bin ich noch nicht. Schließlich mag ich Che Guevara immernoch. Ich gehöre eindeutig zu den Guten mit den weißen Hemden.

Andererseits: Vielleicht ist es aber auch sinnlos, sich dieser Welle in den Weg zu stellen. Mal realistisch: Wenn diese jungen Menschen wirklich so leistungsbewusst und karriereorientiert sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass einer von ihnen irgendwann mal mein Chef wird. Mit so einer Person werde ich dann zurechtkommen müssen. Glücklicherweise hat die BILD unter dem Titel "Langweiler leben länger" einen kleinen Leitfaden herausgebracht. Früh aufstehen, nicht zu oft Sex haben, immer die Zähne putzen, keine Extremsportarten betreiben. Ach so: Nicht langzeitarbeitslos werden. Forscher fanden nämlich heraus: "Wer wenig Geld hat, ernährt sich oft auch schlechter." Verdammt clever. Diese neuen Spießer, man kann auch was von ihnen lernen.

Jens Jessen: "Das Selbstverständliche ist die Heimat des Spießers."

Harald Martenstein: "Spießer pflegen nicht nur einen falschen Lebenstil, sie vertreten ihn auch noch offensiv."

ZEIT online widmet sich einem urdeutschen Phänomen: dem Spießer. Und findet ihn überall.

Es heißt wachsam sein und die Tür im Auge behalten. Auch bei uns selbst. Denn es wachsen ja nicht nur Armeen blutrünstig verantwortungsbewusster, ernsthafter Nichtalkoholiker heran. Auch wir selbst sind gefährdet. Das Spießertum hat ja bekanntlich schon die 68er ergriffen, nachdem sie sich so richtig ausgetobt hatten. Jetzt haben sie zwar immer noch Mitleid mit den Ausgebeuteten, aber leider beruflich zu viel zu tun, um sich mit diesen Problemen auseinander zusetzen. Und auch bei mir entdecke ich mit 26 Jahren Tendenzen, die man schon als verdächtig bezeichnen könnte. In unserer Vierer-WG hängt seit kurzem ein Putzplan. Den wir einhalten! Anti-Nazi-Demos für mich sind kein Selbstgänger mehr, der Kampf gegen Ökonomisierung und Repression fängt an, mich zu langweilen. Und der Sonntagabend ist Tatort-Zeit. Anschließend Philosophisches Quartett. Ich bin verwundet, aber gefallen bin ich noch nicht. Schließlich mag ich Che Guevara immernoch. Ich gehöre eindeutig zu den Guten mit den weißen Hemden.

Andererseits: Vielleicht ist es aber auch sinnlos, sich dieser Welle in den Weg zu stellen. Mal realistisch: Wenn diese jungen Menschen wirklich so leistungsbewusst und karriereorientiert sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass einer von ihnen irgendwann mal mein Chef wird. Mit so einer Person werde ich dann zurechtkommen müssen. Glücklicherweise hat die BILD unter dem Titel "Langweiler leben länger" einen kleinen Leitfaden herausgebracht. Früh aufstehen, nicht zu oft Sex haben, immer die Zähne putzen, keine Extremsportarten betreiben. Ach so: Nicht langzeitarbeitslos werden. Forscher fanden nämlich heraus: "Wer wenig Geld hat, ernährt sich oft auch schlechter." Verdammt clever. Diese neuen Spießer, man kann auch was von ihnen lernen.

Jens Jessen: "Das Selbstverständliche ist die Heimat des Spießers."

Harald Martenstein: "Spießer pflegen nicht nur einen falschen Lebenstil, sie vertreten ihn auch noch offensiv."

ZEIT online widmet sich einem urdeutschen Phänomen: dem Spießer. Und findet ihn überall.


 
 



 

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