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Laudatio

"Mahlzeit!"

Ich hätte in meinem kurzen Leben weitaus weniger zu lachen gehabt, wenn ich auf Walter Moers’ Comics und Romane hätte verzichten müssen

Ich kann schlecht „Nein“ sagen. Und deshalb tat ich’s auch nicht, als Christoph mich fragte, ob ich mal was zu Walter Moers schreiben könnte. Vorerst erkundigte ich mich „Wieso?“ - Christoph daraufhin: „Fürs Walter-Moers-Wochenende.“ - Ich: „Cool, wer macht denn so was?“ – Er. „Wir!“ – Ich: „Ok.“

Natürlich ist das nicht nur ok fürs WM-WE zu schreiben, und zugestimmt habe ich auch nicht nur, weil ich nicht „Nein“ sagen kann. Nein, vielmehr ist das total geil und ich habe zugestimmt, weil ein Walter-Moers-Wochenende zu den wenigen Dingen gehört, die die Welt wirklich noch braucht.

Schließlich haben mich Sex und Gewalt, Fötzelek, kiffende und kotzende Pinguine, Adolf die Nazisau, der Schammes und das Bofa, Spejbl und Hurvinek, alkoholisierte Zimmerpflanzen, Inge Koschmidda, diese Hure, der alte Sack und die heilige Vagina sicher durch die Malströme der Adoleszenz geschippert, um mich anschließend in Zamonien unversehrt an Käpt’n Blaubär und Konsorten zu übergeben.

Ich hätte in meinem kurzen Leben weitaus weniger zu lachen gehabt, wenn ich auf Walter Moers’ Comics und Romane hätte verzichten müssen. Und nicht nur das, auch mein Verständnis vom Leben, vom zwischenmenschlichen Miteinander, von der Religion und vom ganzen Rest wäre heute ein anderes.

Während meine Klassenkameraden in der neunten eine dritte Fremdsprache zwischen Latein und Alt-Griechisch auswählten, entschied ich mich, Pimperanto „die Urlaubssprache für Alleinreisende“ zu lernen. In dem festen Glauben, damit zur Verbesserung unseres interkulturellen Miteinanders beizutragen. Und während sich zuhause die „Schöner Wohnen“-Haufen linear zu den innenarchitektonischen Tagträumen meiner Mutter entwickelten, las ich in meinem Jugendzimmer „Schöner leben mit dem kleinen Arschloch“ und träumte von einer besseren Welt. Ich lernte hier nicht nur, wie man den Stechapfel-Rausch vernünftig simuliert, sondern auch wie man anständig Hostien schändet und gekonnt Behinderte verhöhnt. Ein „nice-to-have“ war dieses Wissen, mit dem man eigentlich jeder Situation gewachsen war. Und wenn Mami mich zum Essen rief, ging ich runter und sagte: “Mahlzeit!“

Ja ja, so war das, als ich noch unbeleckt und jung war und meine übersprudelnden Hormone mir vorgaukelten, es könnte jeden Tag soweit sein, dass ich mein erstes Mal stilvoll mit dem Moersschen Opening „Denn siehe mein Hartgewachsenes, ich möchte es in Dich versenken!“ einleiten würde. Diese Chance ließ in Wirklichkeit lange auf sich warten und als es soweit war, habe ich komischerweise nicht an das kleine Arschloch und an Pimperanto gedacht.

Natürlich habe ich in meinem Leben auch weder Behinderte verhöhnt, noch Hostien geschändet oder versucht, mir einen stechapfelähnlichen Rausch zu verpassen. Ich habe einfach nur viel von Walter Moers gelesen und konnte dieses Vergnügen zum Glück mit einigen meiner besten Freunde teilen. Wir haben uns dabei königlich amüsiert und begrüßen uns noch heute ab und an mit: „Voulez vous una Pimpofisto à la toilette de jardiin?“ Das heißt zwar ungefähr, was Ihr jetzt denkt, ist aber nur ein kleiner Insider in Reminiszenz an unsere unbeschwerte Jugend. Und auch nur Insider wissen, dass „jardiin“ auf Pimperanto die korrekte Schreibweise ist.

Noch gestern hätte ich wetten können, dass mindestens vier Comic-Bände von genanntem Autor in meinem Regal stehen. Doch heute musste ich feststellen, dass ich alle irgendwann einmal verliehen habe und mich jetzt nicht mehr erinnere, an wen. Deswegen stiefelte ich anschließend durch die winterlichen Sonnenstrahlen zum stationären Buchhandel. Doch schon das Statement der Verkäuferin „Gucken Sie mal im ersten Stock, wenn wir überhaupt noch was da haben.“ Ließ meinen frohen Mut kippen. Und tatsächlich, im Humor-Regal unter Moers ist kein kleines Arschloch mehr zu finden. Kein Sex und Gewalt, kein Pinguin, der zweimal klopft. Dafür nur Der Fönig, Käpt’n Blaubär und Ensel und Krete. Die dunkle Schaffensperiode scheint weggewischt. Pfui, bäh! Das freut mich einerseits sehr, weil es sich bei den genannten Titeln um überaus lesenswerte „Spätwerke“ des Autors handelt, und der zamonische Kontinent der Mittelerde und dem Potterversum höchstens in irgendwas vor- aber in nichts nachsteht. Andererseits ist es jedoch schade, denn ich weiß noch, wie’s früher war. Regale voller kleiner Arschlöcher. Bücher, Becher, Boxershorts, Stifthalter, Wanduhren, ... von der perfekten Notlösung für den Julklapp bis zum Stamm-Einrichtungsgegenstand für das Sachbearbeiterbüro war alles dabei.

Naja, alles ändert sich irgendwann und wie gesagt, die späten Werke von Walter Moers sind nicht weniger empfehlenswert. Nur eben anders. Auch wenn Walter Moers von sich behauptet, noch immer das Gegenteil eines erzieherischen Ansatzes zu verfolgen, die Zamonien-Romane taugen eher zum Kinderbuch als das fast indizierte Erwachsenen-Comic vom kleinen Arschloch. Der Humor ist politisch korrekt und die meisten Charaktere kommen liebreizend statt Ekel erregend daher. Vielleicht werde ich mir für meine Kinder irgendwann eine umgekehrte Reihenfolge der Rezeption des Moersschen Gesamtwerkes wünschen, mir hätte jedoch in meiner Entwicklung etwas gefehlt, wenn es andersrum gewesen wäre.


 
 



 

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