Kritik
Die mit dem Körper schreibt
Mit ihrem zweiten Roman „Marrying Buddha“ versucht Wei Hui, an den Erfolg von „Shanghai Baby“ anzuknüpfen. Und weil es schon beim ersten Mal so herrlich funktioniert hat, bleibt das Rezept: Sex Sells
Tina Bremer
In Ihrem Heimatland China gilt sie als „Body Writer“. Das klingt schön, und fast ein wenig poetisch. So, als würde Wei Hui beim Schreiben ihrer Bücher jede Faser ihres Körpers einsetzen. Als würde sie intensive, eindringliche Erzählungen verfassen, die den Kopf und das Herz berühren. Dabei ist das Wort, das Kritiker eigens für sie und ihre Schriftsteller-Kollegin Mian Mian kreiert haben, alles andere als als Kompliment gemeint. Wei Hui gilt in China als „Body Writer“, weil sie „mit dem Körper schreibt, nicht mit dem Hirn.“
Wei Huis erster Roman „Shanghai Baby“ löste 2001 im Reich der Mitte einen Skandal aus. Mit für chinesische Verhältnisse ungewohnter Freizügigkeit erzählte die damals 27-Jährige die Geschichte ihrer Protagonistin Coco, die auf wilde Parties geht, einen heroinabhängigen Mann liebt und es mit einem verheirateten Manager aus Berlin treibt. Egal, ob Coco Sex auf der Toilette oder beim Telefonieren hat, seitenlang lieferte Wie Hui mehr oder minder detaillierte Sex- und Masturbationsbeschreibungen. Sehr zum Unmut der chinesischen Autorität. Denn Hui zeichnete das Bild einer neuen, zügellosen chinesischen Generation zwischen Kommunismus und Kommerz. Einer Generation, die zwar in einem zentralistischem Einheitsstaat aufwächst, zunehmend aber von der westlichen Welt beeinflusst wird.
Kurz nach dem Erscheinen von „Shanghai Baby“ bezeichnete die kommunistische Partei Wei Hui deshalb als „Sklavin der westlichen Kultur“, hörte ihr Telefon ab, ließ ihre E-Mails vom Geheimdienst mitlesen und zensierte den Roman. Aber nicht, ohne vorher 4000 Exemplare öffentlich zu verbrennen. Geschadet hat es dem Erfolg des Romans nicht. Im Gegenteil. Bereits vor dem Verbot verkauften sich von „Shanghai Baby“ innerhalb von sechs Monaten 130.000 Exemplare, nach dem Skandal wurde die junge Autorin weltweit berühmt. In China ist sie für viele junge Frauen zur Ikone geworden.
Mit ihrem zweiten Roman „Marrying Buddha“ knüpft das chinesische Gegenstück von Carrie Bradshaw und „Sex in the City“ jetzt da an, wo sie mit „Shanghai Baby“ aufgehört hat. Ebenso wie im Leben der Kolumnistin Carrie dreht sich in Cocos Konsumkosmos (auch sie ist Autorin) alles um drei Dinge: Shoppen, Männer und – wie hätte es auch anders sein können – Sex. Und das alles vor einer einzigartigen Lifestyle-Kulisse. Denn Cocos Freunde sind natürlich eben so hip und schrill wie sie selbst. Sei es ihre transsexuelle Freundin Xi’er, die eigentlich Malerin ist und das angesagteste Restaurant Shanghais führt, oder Madonna, eine von der Polizei gesuchte Diva. In Cocos Leben scheint alles ein bisschen aufregender zu sein als bei anderen Leuten.
Und weil New York eine der angesagtesten Metropolen ist, beschließt Coco, den Big Apple zu erobern. Anstatt sich jedoch allein um ihre Karriere zu kümmern, verliebt sie sich in Muju, einen galanten, zurückhaltenden Japaner. Alles scheint perfekt, bis der reiche Amerikaner Nick in Cocos Leben tritt und die Beziehung zu Mojo zu zerbrechen droht...
Wei Huis biographisch geprägter Roman ist vor allem kurzweilige Unterhaltung. Obwohl die Autorin gesellschaftlich mehr als kontrovers diskutiert wurde, sucht der Leser vergeblich nach politischen Aussagen. Schade eigentlich.
„Marrying Buddha“ ist im Ullstein Verlag erschienen und kostet 18 Euro.