Al Jazeera International

Im Osten was Neues?

Mit Al Jazeera International startet im Frühjahr ein weltweiter Ableger des Senders aus Katar. Erwartet uns arabische Propaganda oder eine echte Informationsalternative?

Sebastian Dalkowski

In der Dokumentation "Control Room" begleitet die Filmemacherin Jehane Noujaim Journalisten des Fernsehsenders Al Jazeera bei ihrer Arbeit während des Irakkrieges 2003. Immer wieder fängt die Kamera dabei Diskussionen ein zwischen dem Al-Jazeera-Journalisten Hassan Ibrahim und Josh Rushing, Pressesprecher der amerikanischen Marine. In herzlicher Abneigung argumentieren sie über den Einmarsch US-Truppen in den Irak. Der Amerikaner warf Al-Jazeera vor, "auf der Seite von Saddams Regime" zu sein. Ironie des Schicksals: Er sollte bald denselben Arbeitgeber wie Ibrahim haben. Nachdem Rushing sich wiederholt kritisch über die Aktionen amerikanischer Soldaten im Irak geäußert hatte, musste er die Armee verlassen. Kurze Zeit später erhielt er das Angebot, einen Job als Reporter in Washington zu übernehmen. Bei Al Jazeera International.

Im vergangenen Juli verkündete der katarische Sender die bevorstehende Gründung seines internationalen Ablegers Informationen fließen bis heute spärlich, die Verantwortlichen geben bis zum Start des Senders kaum Interviews. Fest steht bisher, dass Al Jazeera International der erste englischsprachige Nachrichtensender im Mittleren Osten wird. Er wird im Frühjahr seinen Betrieb aufnehmen und 24 Stunden täglich von seinen Stationen in Doha, Kuala Lumpur, London und Washington senden. Doha übernimmt 12 Stunden Programm, die anderen drei Stationen jeweils vier. Zusätzlich hat der Sender knapp 30 Büros in der ganzen Welt. Geschäftsführer ist Nigel Parsons, früherer Mitarbeiter der BBC.

Der Sender soll unabhängig vom Muttermedium arbeiten. Aber wie stark wird sich das englischsprachige vom arabischen Al Jazeera unterscheiden? Eine völlige Übereinstimmung ist unwahrscheinlich. Viele Mitarbeiter der internationalen Ausgabe sind Europäer oder Amerikaner und haben bereits für CNN, MSNBC oder die BBC gearbeitet. Außerdem: Bereits die englische Webseite von Al Jazeera ist weitaus milder in seinen Urteilen gegenüber den USA als die arabische. "Al Jazeera International wird sich wahrscheinlich deutlich vom arabischen Gegenstück unterscheiden, um bei anglophonen Zuschauern glaubwürdig zu bleiben", vermutet Adel Iskandar, Professor für Kommunikation an der University of Kentucky. So eindeutig pro-arabisch und anti-amerikanisch, wie westliche Politiker wie Donald Rumsfeld glauben machen wollen, ist der Muttersender aber nicht, als dass sich die englische Ausgabe eindeutig distanzieren müsste, um nicht parteiisch zu erscheinen. "Ich warne Al Jazeera: Stoppt eure amerikanische Propaganda", verkündete Saeed Al-Salaf, ehemaliger irakischer Informationsminister, während des Golfkriegs 2003. Al Jazeera ist bei arabischen Regierungen genauso umstritten wie bei westlichen. Regelmäßig beschweren sie sich über Al Jazeeras Berichterstattung und schließen Korrespondentenbüros.

Ausgeschlossen scheint aber auch, dass Al Jazeera International die westliche Perspektive widerspiegeln wird, obwohl im dem Umfeld der US-Regierung gefordert wird, den Sender zu nutzen, um das Bild der USA unter Muslimen aufzubessern. "Al Jazeera wird versuchen, ein anderes Produkt zu liefern als CNN und Fox und deshalb von einigen Zuschauern sicherlich als voreingenommen wahrgenommen werden", erklärt Iskandar. Zunächst bringt Al Jazeera das Budget für seinen englischen Ableger auf. Al Jazeera wiederum wird zu einem großen Teil vom Emir von Katar getragen, der dem Sender 1996 150 Millionen Dollar als Starthilfe zur Verfügung stellte und jährlich größere Millionenbeträge überweist. Trotzdem muss Al Jazeera International irgendwann Gewinne einfahren. Scharfe Berichterstattung dürfte abschreckend auf Werbekunden wirken. "Der Sender kann sicher besser sein als CNN und Fox", erläutert As’ad AbuKhalil, Professor für Politikwissenschaften an der California State University, "die Frage ist nur, ob er auch kommerziell so erfolgreich wird."