Erfinder
Einstein sucht Rockefeller
Noch mitten in der Pubertät hat ein junger Deutscher einen revolutionären
Motor erfunden- und zwar einen der auch funktioniert. Fünf Jahre später
sucht Clément noch immer nach einem Sponsor für ein Patent
Kersten Riechers
Mit fünfzehn Jahren hatte Clément Corselli eine Idee. Er dachte sich einen
Elektromotor aus, einen völlig neuartigen - einen, der sich auf ganz neue
Weise den Magnetismus zunutze macht. Drei Jahre später, mit 18, schaffte er
es, seine Erfindung einem wissenschaftlichen Institut vorzutragen. Im Rahmen
der "Auricher Wissenschaftstage", einem ostfriesischen Stipendiatenprogramm,
fuhr Clément nach Berlin, zum Hahn-Meitner-Institut. Er trat ziemlich
vorlaut auf: Gleich am ersten Tag fragte er, ob er als freier Forscher
mitarbeiten könne, er habe einen Elektromotor erfunden. "Die haben mich
ausgelacht", erinnert sich Clément. Doch schon am nächsten Tag kam eine
Einladung der Chefin. Sie wolle sich gerne anhören, was der junge Mann zu
sagen habe. "Da wurde das dann gleich ernst", erzählt Clément, "ein Anwalt
saß mit dabei, damit ich rechtlich geschützt bin." Man unterzeichnete ein
Schweigepflichtvertrag. Erfindungen sind immer eine heikle Sache.
Und Cléments Erfindung? Sein Elektromotor basiert auf elektromagnetischer
Anziehung und Abstoßung. Mit einer einfachen Konstruktion und geringer
Baubreite (im Nanobereich) erzielt er ein deutlich höheres und konstanteres
Drehmoment als herkömmliche Motoren. Der Wirkungsgrad seines Motors ist fast
gleich eins. Clément konnte das auch dem Anwalt und der Direktorin ganz
anschaulich erklären: "Stell dir einen kleinen Motor vor, den du mit der
Hand anhalten willst. Erst geht es ein bisschen schwerer, der Motor quält
sich, aber irgendwann hast du ihn gestoppt – dann bewegt er sich nicht mehr.
Bei meinem Motor würde das gar nicht funktionieren, da reißt es dir die Hand
weg!" Die Chefin war begeistert.
Ein paar Monate später kam Clément nach Berlin zurück. Das Institut gab ihm
zwei Wochen Zeit, einen Prototyp des neuartigen Motors zu bauen. Die Tage
vergingen, der Motor wollte nicht funktionieren - erst am allerletzten Tag
klappte es endlich. Der Motor lief und Clément hatte bewiesen, dass er ein
kluger Erfinder ist. Doch nun sollte das Unterfangen erst richtig schwierig
werden, denn das Institut erklärte sich bereit, seine Erfindung
deutschlandweit zum Patent anzumelden. Clément lehnte jedoch ab. Er wußte:
Sind die Länder, in denen das Patent angemeldet werden soll, erst einmal
festgelegt, lässt sich nachträglich kein anderes Land mehr hinzufügen. Mit einem Patent wird aber auch das Geheimnis einer Erfindung gelüftet: Die Baupläne sind für alle einsehbar. Außerhalb Deutschlands wäre Cléments Motor dann Freiwild für interessierte Unternehmer - Er selbst hätte nichts davon.
Einzige Abhilfe: Ein internationales Patent. Die
Kosten für so einen Schutz sind in den Industrieländern allerdings immens - sie liegen um 300.000 bis 400.000 Euro. Gerne hätten die
Forscher am Hahn-Meitner-Institut Clément geholfen, aber der
Geschäftsleitung fehlten die Mittel für solch ein umfassendes Patent. Zumal: Elektromotoren gehören eigentlich gar
nicht zum Forschungsgebiet des Instituts. Und selbst wenn der junge Mann das Geld irgendwo anders aufgetrieben hätte: Der
Eigentümer eines Patents muss ganz alleine darauf achten, dass niemand
unerlaubt Profit aus seiner Erfindung schlägt. Für Clément ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht zuletzt hätte der Name
einer Forschungsanstalt oder einer Firma auf dem Patent seriöser gewirkt.
Clément, mittlerweile 20 Jahre alt, sucht deshalb noch immer nach einem
Partner für seinen Elektromotor, damit er diese Innovation doch endlich zum Patent
anmelden kann. Eine große Schwierigkeit dabei: Details seiner
Erfindung dürfen auf keinen Fall an die Öffentlichkeit geraten. Denn
Ideenklau ist immer möglich, das weiß auch Clément. "Die Leute, denen du
das erzählst, sagen dann, sie hätten kein Interesse. Dann ändern sie ein
paar kleine Dinge an der Idee und du hast die Arschkarte gezogen." Doch wie
überzeugt man einen Anderen von seiner Erfindung, ohne sie preiszugeben?
"Bisher kann ich die Leute, die von meiner Idee wissen, noch an beiden
Händen abzählen", sagt er. Einen Investoren hat er unter den Eingeweihten
aber nicht gefunden. Er hat sich auch an "Jugend forscht" gewandt, um
Interessenten zu finden, die sich finanziell an seiner Erfindung beteiligen.
Bisher erfolglos.
Ganz allein ist Clément mit seinem Schicksal allerdings nicht: in
Deutschland gibt es kein einziges Förderprogramm, das Jungerfindern
Starthilfe gibt. So vergehen die Jahre und großartige Ideen bleiben einfach
liegen. Clément ist jetzt zwanzig Jahre alt, in ein paar Monaten macht er
Abitur, möchte danach Physik studieren. Bis es losgeht, dreht er auf seine
Art Däumchen. Er erfindet weiter. "Ich überlege zurzeit, wie man
Windmühlenblätter verlustärmer arbeiten lassen und dabei gleichzeitig
ästhetischer gestalten könnte." Ob das vielleicht sein Durchbruch als
Erfinder wird? Mal sehen, was die Zukunft für Menschen wie Clément so
bringt.