Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sagt, man könne nicht von einer bewussten Leichtsinnigkeit Jugendlicher sprechen, da die Mehrheit regelmäßig ein Kondom benutzen würde. Kann man das wirklich nicht?
Von großer Leichtsinnigkeit würde ich auch nicht reden. Dennoch sollte gesagt werden, dass Liebe der größte Risikofaktor ist. Die allermeisten HIV-Übertragungen passieren im privaten Umfeld. Es heißt ja immer, die Jugendlichen ficken wie blöd, sei es in Diskotheken oder in den Nachtclubs. Aber da passieren weniger HIV-Übertragungen als in der eigenen Sphäre.
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Vertrauen in einer Partnerschaft ist gefährlich?
In dem Augenblick, wo Vertrauen oder Liebe eine Rolle spielt, setzt die Prävention aus.
Man sagt sich: Wir kennen uns doch schon so gut, der ist doch so nett, ich würde es ihm doch ansehen und der würde mich doch nicht belügen. Gerade da, wo die Grundsteine für längere Partnerschaften gelegt werden, fehlen oft die Präventionsgedanken. Nicht so sehr beim One-Night-Stand.
Man kann das nachvollziehen. Es geht eben in einer Partnerschaft um Dinge wie Vertrauen und Loslassen. Und das ist leider oft nicht die Situation, um einen Präventionscheck zu bitten. Man muss das Gespräch aber beizeiten führen.
Wie wirkt sich ein positives Ergebnis auf den Alltag aus? Bricht alles gleich zusammen?
Natürlich bricht alles zusammen. Es ist ein großer Schlag, weil kaum ein Mensch wirklich Bescheid weiß, was das Ergebnis wirklich aussagt. Es geht dann darum, sein Leben neu zu ordnen. Nicht, um morgen zu sterben, sondern, um Dinge zu organisieren, ein stabiles Netz aufzubauen. Es geht um Überlegungen wie: Finde ich andere Menschen, von deren Erfahrung ich vielleicht profitieren kann? Was ist mit meiner Familie, meinen Freunden, meiner Partnerschaft? Lassen die mich jetzt fallen? Es gab hier bei uns in der Hamburger AIDS-Hilfe erst diese Woche zwei Fälle. In einem hat sich die Familie vom dem Infizierten isoliert. In dem anderen Fall, ist sie zusammengerückt, was ich nicht erwartet hätte. Man kann das nicht generalisieren.
Können HIV-Infizierte Sex mit Nicht-Infizierten haben?
Wie alle anderen Leute auch. Nur mit einer entscheidenden Einschränkung. In so einer Lebenskrise tritt Sex erst mal in den Hintergrund. Das bleibt aber nicht immer so. Es gibt glückliche gemischte Partnerschaften: Alles ist möglich und alles wird gelebt.
Wie steht es mit dem gesellschaftlichen Leben HIV-Positiver?
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In den letzten Jahren hat sich da was verändert, da die Medikation vielen Positiven eine stabilere Gesundheit erlaubt. Sie können aktiver ihre Freizeit und ihr gesellschaftliches Leben gestalten.
Was treibt Homosexuelle zu Bareback-Partys, bei denen Sex bewusst ohne Kondom betrieben wird?
Alleine, dass es schon einen Begriff dafür gibt, ist ein Unsinn. Es wundert mich, dass da so genau hingeschaut wird, während andere Bereiche völlig ausgeblendet werden. Ich frage mich zum Beispiel, was heterosexuelle Familienväter dazu veranlasst, mit Auto und Kindersitz auf der Rückbank auf dem Straßenstrich umherzufahren, um ganz gezielt Sex ohne Kondom zu haben. Und zwar mit weiblichen Prostituierten auf dem Beschaffungsstrich, denen deutlich anzusehen ist, dass es körperlich schwer kranke Frauen sind. Was verleitet so jemanden dazu? Es gibt Dinge, die kann ich nicht nachvollziehen.