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Suizid

Jenny meldet drei Versuche

TEIL 2

Mehr tat man nicht für sie. Jenny wurde entlassen, kam wieder nach Remscheid. „Alles so kalt.“ Als sie alleine in ihrem Heimzimmer ist, holt sie mechanisch ein Messer hervor, das sie in der Jacke hat. Setzt sich auf einen Stuhl. Guckt aus dem Fenster. Schneidet sich langsam die Arme auf dabei. „Der Schmerz hat mich entspannt“, sagt sie. „Und mit dem Auto hat’s ja nicht geklappt...“ Das Blut rinnt ihr die Hände hinunter, als ein Betreuer ins Zimmer kommt.

Gedanken, die wie im Dampfkessel brodeln

Diesmal blieb Jenny vier Monate in der Psychiatrie. Ihre Oma besuchte sie, streichelte ihr den Kopf. Der einzige Lichtblick. Auch eine Therapeutin sprach mit ihr. „Aber die hat gesagt, ich soll kalt duschen, wenn’s mir schlecht geht.“ Jenny lacht hart auf. Am 16. Dezember 2003 zurück nach Remscheid. Jenny schottete sich ab, wollte nach wie vor nichts wissen von dem Heim. Am 10. Januar 2004 rief sie ihre Mutter an. Bettelte, wieder nach Hause zu dürfen, suchte Halt. „Ich hab sie gefragt: Warum liebst du mich nicht?“ Ihre Mutter entgegnete nur, sie könne sich abschminken, je wieder nach Hause zu kommen. Jenny legte auf.

Scharfe Gegenstände hatten die Betreuer aus ihrem Zimmer entfernt, aber irgendwie schaffte sie es, ein Messer aus der Küche zu schmuggeln. Wieder schob sie den Ärmel ihres Pullis hoch, setzte die Klinge an, ritzte in die Haut unterhalb der Hand. „Ich habe meinen Unterarm betrachtet. Ich habe gedacht, ich sperr die Tür ab und schneide einfach weiter, ich könnt es jetzt beenden, der ganze Scheiß könnte vorbei sein.“ Das Mädchen spürte die Spitze des Messers. Den Schweiß zwischen ihren Fingern. Den Griff, der sich fest in die Handfläche drückte. „Es war ein schöner Gedanke zu sterben, und gleichzeitig hatte ich Angst, dass das Leben dann wirklich vorbei ist. Plötzlich sah ich auch das Gesicht meiner Omi vor mir. Hab plötzlich gedacht, du kannst das nicht machen, du bestrafst ja deine Omi...“ Jenny hält einen Moment inne. Putzt sich die Nase, streicht sich die Haare aus der Stirn. „Ich hab’s gelassen. Hab meinen Arm verbunden und bin in die Küche zu den anderen gegangen.“ Die merkten sofort, was los war. Jenny kam wieder in die Psychiatrie und blieb dort noch einen Monat. Danach begann eine Therapie in Remscheid. Dort ist die 16-Jährige heute noch.

Christa Hömmen-Gornik hat das Buch Mal sehen ob ihr mich vermisst über Suizide bei Kindern und Jugendlichen geschrieben. Sie beschreibt es so: „Die Gedanken des Jugendlichen brodeln wie in einem Dampfdruckkessel, bewegen sich in Kreisläufen, aus denen er von selbst nicht mehr herauskommt. Die Therapeutin lüftet den Kessel, lässt Druck ab. Begleitet den Jugendlichen in einen Bereich, der vorher tabu war, weckt hier nach und nach wieder die Lebenshoffnung – wenn sie gut ist.“ Ist sie, Jenny nickt. „Ich fühle mich wohl. Meine Therapeutin hört mir zu. Ich kotze mich aus. Das tut gut.“ Schwester Nina wohnt mittlerweile auch im Heim. Seit kurzem macht Jenny eine Ausbildung zur Kinderpflegerin, hat ein Praktikum bei einer Familie mit kleinen Kindern. „Voll süß, wie die herumtoben. So unbesorgt.“ Jenny lächelt wieder ihr halbes Lächeln. Sie will keine Kinder, sagt sie. Sie wäre eine schlechte Mutter, das will sie keinem antun, sagt sie. „Aber ich sag ja nicht, dass ich Kinder nicht lieb haben kann. Solange es nicht meine eigenen sind, ist alles halbwegs in Ordnung.“ Solange sie nie mehr nach Hause muss, auch.


 
 



 

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