Es herrscht Rauchverbot an Niedersachsens Schulen. Das freut die
Elternschaft und ärgert einige Schüler. Doch an meiner Schule im
ostfriesischen Aurich gab es vor allem von einem Protest: vom Schulleiter.
Noch bevor der entsprechende Erlass des Kultusministeriums in Kraft trat,
ging er an die Lokalpresse.
Von Kersten Riechers
Würde er zu der großen Fraktion unserer rauchenden Lehrer gehören, hätte man
ihm das als Parteilichkeit auslegen können. Unsere Lehrer mit Kippe und
Pfeife waren für ihr verrauchtes Lehrerzimmer bekannt, auf das sie trotz
eines Rauchverbots nicht verzichteten. Der entsprechende Beschluss wurde erfolgreich vom nikotinsüchtigen Lehrkörper ignoriert. Bis zum 1.
August 2005. Seitdem gilt per Erlass für alle Raucher - Schüler wie Lehrer -
absolutes Rauchverbot auf dem Schulgelände.
"Durch das Verbot verschiebt sich das Problem nur vom Schulhof auf die
Straße", befürchtete unser Schuleiter gegenüber einem Reporter. Da unsere Schule nur durch einen
schmalen Bürgersteig von einer befahrenen Straße getrennt ist, ergibt sich
somit ein neues Problem. Außerhalb des Schulgeländes besteht für Schüler
kein Versicherungsschutz mehr. Im Nachbarort wurde bereits eine rauchende
Schülerin von einem Auto angefahren. Seitdem, so hört man, dürfen sich
Raucher dort wieder an ihrem gewohnten Platz auf dem Schulhof aufhalten. Mit
Zigarette, aber entgegen des Erlasses.
Unser Schuleiter bat in einem Rundschreiben darum, sich nicht an dieser
Straße aufzuhalten. Bei einer Schülerzahl von rund 1.800 überrascht es, dass
sich alle Raucher verantwortungsbewusst daran halten. Für sie bleibt somit
außer dem Platz an der Straße eine einzige Alternative: Vor einem Tor zum
Schulgelände drängen sie sich nun - direkt Sicht vor dem schuleigenen
Kinderspielplatz. Die vorgesehene Entwicklung eines "Präventionskonzepts mit
dem Ziel, die heutige und zukünftige Generation vor den gesundheitlichen
[...] Folgen des Tabakkonsums [...] zu schützen" bekommt hier Gegenwind.
Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man darüber lachen. Vor dem Erlass hatte
die Schule ihre Raucher im Blick. Relativ abgeschottet von den unteren
Jahrgängen blieben sie früher brav in der vorgesehenen Raucherecke.
Minderjährige Raucher, die sich erwischen ließen, bekamen Sozialarbeiten
auferlegt. Das Zusammenleben kannte seine Regeln und funktionierte.
Ein paar Jahre zuvor hatten Raucher bei uns sogar ihre eigenen Räume im
hinteren Teil der Schulcafeteria. Auf diesen "Luxus" wollte die
Elternvertretung gerne verzichten und so wurden die Räume später für Raucher
geschlossen.
Doch es könnte sein, dass die Türen wieder geöffnet werden. In den
Berufsbildenden Schulen in Jever wird seit dem 1. August in einem Bereich
der Mensa geraucht. Die Gesetzeslücke dafür findet sich in Ziffer 5 des
neuen Erlasses: "Von dem Verbot [...] sind solche Räume und
Grundstücksflächen ausgenommen, die ausschließlich Dritten überlassen sind."
Auf das eigenverantwortliche Personal einer Cafeteria trifft genau das zu,
denn es untersteht nicht der Schulleitung.
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Ob der niedersächsische Kultusminister Bernd Busemann diesen Teil
seines Erlasses weiterhin so auslegen lassen wird, ist fraglich. Derweil
fanden die Betroffenen im nahen Städtchen Wittmund eine unbürokratischere
Lösung. Dort sammelten sich die Raucher in der schulnahen Busstraße. Gerade
vor Schulbeginn und nach Schulschluss entstand ein hohes Sicherheitsrisiko,
da Busse und Schüler sich gegenseitig behinderten. Die Polizei und
Schulleitung kamen zu dem Entschluss, die Sicherheit habe Vorrang und so
wird - ganz offiziell - wieder auf dem Schulhof geraucht.