Ich grübele. Da ist der Januar, der für den Aufbruch ins neue Jahr steht oder der Mai, der den Frühling in die Herzen pflanzt. Die Monate Juni bis August sind eh raus, die haben den Sommer für sich gepachtet. Der Oktober glänzt golden, der Dezember ist lamettafein. Alles entschlossene, standfeste Monate also, die eine Bestimmung, einen konkreten Auftrag haben. Und dann sind da noch die anderen. Die wankelmütigen oder gleichgültigen Monate, die sich keine Mühe machen, zu überraschen. Weil sie keine Bestimmung haben. Keinen konkreten Auftrag. Im Grunde nicht gewollt sind, maximal zum Überbrücken dienen. Ein undankbarer Job. Ihren Frust darüber entladen sie im Wetter. Der November überdies ist besonders arm dran, ist er doch schon rein inhaltlich auf Melancholie getrimmt. Welcher Monat sonst ist gestraft mit so desolaten Daten wie Totensonntag oder Volkstrauertag?
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Der November nötigt mich andererseits auch nicht, durchgehend das Haus zu verlassen, wie etwa der nicht lockerlassende Juli, der Aktivitäten aller Art ins Freie zwingt, nur weil draußen in einer Tour die Sonne scheint! Zuhause bleiben oder rausgehen – ich hab nicht mehr die Qual der Wahl. Das bedeutet weniger Freizeit-Stress, und ich bin auch noch voll hipp, wenn ich auf der Cocooning-Welle schwimme, mich ohne schlechtes Gewissen in meine Wohnung einigle, Kerzen anzünde, mich mit Freunden zu Spiele- und Rotwein-Abenden treffe.
Vielleicht wird also alles gar nicht so schlimm. Ich bin stolz auf meinen neuen gelassenen Umgang mit wetterbedingter Überreiztheit und runde meine Überlegungen ab, indem ich abends noch einen Freund anrufe. Er hat das "Buch der Antworten" zuhause, ein besonderes Orakel: Man stellt eine Ja/Nein-Frage, schlägt ohne Hinzugucken irgendeine Seite auf und findet dort die Antwort. Ich frage meinen Freund: "Wird mich der Monat für meinen neuen Annäherungsversuch an sein zähes Wesen belohnen?" Mein Freund liest mir die Antwort vor: "Du wirst möglicherweise Widerstand spüren." Ich muss dringend das Konzept für die Zeitmaschine ausarbeiten.