Gratismusik
Harvey Danger: "File-Sharing ist der Freund des Indie-Musikers!"
Ihren Song "Flagpole Sitta" hat fast jeder schon einmal gehört. Songtitel wie Band sind hierzulande nichtsdestotrotz weithin unbekannt. Damit sich das ändert, veröffentlichen Harvey Danger ihre Musik kostenlos
Julia Gudzent
Es war einmal ein One-Hit-Wonder. Harvey Danger hieß die Band und durfte zur Teenie-Klamotte
American Pie
ihren Song
Flagpole Sitta
beisteuern. Danach verkaufte sich auch das dazugehörige Album
Where have all the Merrymakers gone
(1998) ganz hervorragend. Aber nur in Amerika und auch dort nur ganz kurz: Plattenfirmen wechselten in geschwinder Folge oder kauften einander auf. Das zweite Album
King James Version
ging komplett unter. Der Hype war vorbei.
Zunächst entschlossen sich die vier Bandmitglieder, sich endlich einen vernünftigen Job zu suchen. Sänger Sean Nelson heuerte bei Barsuk Records an, wo er kurzerhand seine Freunde Death Cab For Cutie unterbrachte. Während Bassist Huffman die Combo Love Hotel aus der Taufe hob und Drummer Evan Sult bei Bound Stems einstieg, war man auch anderenorts nicht untätig: Telefonfirmen, Internetprovider und Computerhersteller bohrten die Datenleitungen auf.
Und so entdeckten Harvey Danger dann im April ein gutes Kombinationspräparat gegen Plattenfirmenfrust: Spaß an der Musik, ein eigenes Label (Phonographic Records) und eine eigene Homepage zwecks digitaler Distribution des dritten Longplayers
Little by little
. "File-Sharing", so befindet die Band, "ist der Freund des Indie-Musikers". Und deshalb bieten Harvey Danger auf ihrer Homepage "keine Audio-Streams, keine 30-Sekunden-Ausschnitte und keine nervtötende Digital-Rights-Management-Software" an. "Wir stellen die ganze Platte zum Download – kostenlos und für immer und ewig. Punkt."
Wer möchte, ist herzlich eingeladen, die Songs auf CDs zu brennen und sie Freunden zu schenken. Die 47,4 MB große zip-Datei enthält neben zehn MP3-Dateien und einem freundlichen Anschreiben der Band auch das Cover zum Ausdrucken. Wem das alles zuviel Arbeit ist, der kann sich eine bespielte CD für 12 Dollar bestellen. Auch Spenden sind herzlich willkommen. Zwar haben Harvey Danger absolut nichts dagegen, wenn man sich
Little by little
samt einer 30-minütigen Bonus-CD bei Gefallen später im Laden kauft. Man muss aber eben nicht: "Entweder gefällt es den Leuten oder nicht. Aber dieses Mal werden sie es auf jeden Fall zu Gehör bekommen."
Zu hören bekommt man in dem einen wie dem anderen Fall possierlichen Indierock irgendwo zwischen den Pixies, Gang Of Four und Wedding Present. Nach wie vor verfertigen Harvey Danger fröhlich-verspielte Hits, die umgehend ins Ohr gehen, dabei eine sympathische Portion Nerdtum aber nicht vermissen lassen.
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