An einem Wochenende übernachtete ich mal bei einer Freundin. Es war eines unserer Pseudo-Diät-Wochenenden, an dem Alkohol die einzig erlaubte Kalorie sein sollte. Und wir gingen abends tanzen. Ich verabschiedete mich früher mit ihrem Wohnungsschlüssel und kam zufällig noch bei McDonalds vorbei. Meine Freundin klingelte kurz darauf an der Tür, da hatte ich noch nicht aufgegessen. Oh nein! Ich warf die Raschel-Tüte durchs Fenster in den Vorgarten. Der Long-Island-Ice-Tea, den ich zuvor getestet hatte, überzeugte mich, dass dies die einfachste Form der Beseitigung war. Meine Freundin lachte Tränen.
Wie jeder Junkie belüge ich mich selbst. Von den goldbraunen Talern
lasse ich immer einen übrig - damit ich mir am nächsten Morgen nicht
den Vorwurf machen muss, wirklich alle aufgegessen zu haben. Der
nächste Morgen ist sowieso schon schlimm genug. Dann fühle ich mich
immer wie der übernächtigte Robbie Williams in seinem After-Party-Song
"Come undone". Wenn ich an dem Mülleimer vorbeischleiche, in dem die
zerknüllte Essens-Tüte liegt. Eine Ecke ragt strafend heraus, schon
fühle ich mich schuldig. Schnell stehle ich mich in den Supermarkt und
kaufe lauter Alibi-Äpfel. So nenne ich das Obst, von dem ich immer ganz
viel horte, obwohl ich weiß, dass die Hälfte in meinem Single-Haushalt
verschrumpelt. Aber alleine dadurch, dass die Alibi-Äpfel in meiner
Küche sind, beruhigen sie mein Gewissen. Doch da ist noch die Waage in
meinem Fitness-Center. Nach einem Chicken-Exzess guckt sie immer
besonders vorwurfsvoll und ich beschwichtige sie: "Nie wieder
Fastfood!"
Im Hintergrund "Spiel mir das Lied vom Tod"
Und dann esse ich es doch, obwohl ich gar nicht will. Das Burger-Team bei mir um die Ecke kennt mich schon. Peinlich. Man quält mich bereits. Eines Nachts ging ich wieder zu McDonalds. Ich stand vor dem Tresen, wollte bestellen, die Mitarbeiter guckten mich an. Schnitt - die Szene läuft weiter in Zeitlupe. Die Männer lächeln leise, schütteln langsam ihre Köpfe. "Na-hein", schwindeln sie, "alles schon we-heg. Keine Nuggets mehr da-ha." Dazu Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" im Hintergrund. Okay, die Filmmusik lief nicht im Hintergrund, aber sie wäre mein Soundtrack gewesen in diesem Moment.
Ich kann es aber noch schaffen. Denn noch bin ich stolz genug, mir mein
Opferrolle als Chicken-Chica nicht auf dem Silbertablett servieren zu
lassen. Das letzte Wochenende spricht für mich: Ich gehe zu McDonalds.
Als ich zur Tür hereinkomme wedelt der Verkäufer schon mit einer fertig
gepackten Fastfood-Tüte. "Hunger?" Er grinst er mich an. Also nee. Ich
drehe mich um und stolziere nach Hause. So leicht bin ich dann doch
nicht zu haben.