FREAKS
Es leben die Freaks (II)
TEIL 2
Das Geldverdien-Leben wurde härter. Der Bauboom war gegessen, Lou ging pleite, die Dresdner
      Firma, für die Adi dann meist arbeitete, auch. "Irgendwann setzte sich die Erkenntnis durch,
      dass das ein nicht funktionierendes Sytem war." Das System "freischaffender Bauarbeiter". Im
      Sommer gab es noch ein paar Jobs, aber nicht genug, um mit der verdienten Kohle den Winter zu
      überstehen – geschweige denn, um wieder auf große Tour zu gehen. Von der Hand in den Mund. Adi
      merkte immer deutlicher, dass er in einer Sackgasse steckte, dass es so nicht weiterging. Und
      mittlerweile gab es da auch einen kleinen Sohn, der ihm sehr, sehr wichtig war. "Ja, das war
      auf alle Fälle der Hauptgrund", resümiert Adi, "die Verantwortung für Aaron. Aber auch noch
      etwas anderes. Ich hatte irgendwie das Gefühl, abgesackt zu sein. Viele Freunde hatten längst
      fertig studiert, hatten ihr Leben halbwegs im Griff. Und ich peilte immer noch so rum. Ich
      brauchte einfach eine Herausforderung." Wieso er denn ausgerechnet Produktdesign studiert hat,
      frage ich. Als musizierender Ex-Bauarbeiter und Steinmetz ohne Abschluss. "Neben der Musik hat
      es mich schon interessiert, handfeste Dinge zu schaffen, Formen. Wir haben ja damals auch
      Bildhauerei gemacht, mit Sandstein. Aber ich merkte, dass ich da beizeiten an Grenzen gekommen
      bin. Mit diesem Studium, dachte ich, kann ich der Kreativität auf die Sprünge helfen." Er hat
      dann schnell eine Bewerbungsmappe zusammen gezimmert und wurde genommen. Was ihn selbst ein
      bisschen erstaunte. Mit 29 und zehn Jahren Abstand zur Schulbank war er der Älteste in seinem
      Jahrgang.
Adi empfindet es heute, viereinhalb Jahre später mit Design-Diplom in der Tasche, als absolut
      richtigen Weg. "Da taten sich schon neue Welten auf", erzählt er, "nicht nur die Schule des
      Sehens, Analysierens und davon abgeleitet des Erschaffens. Auch ganz simple Dinge: Computer,
      neue Medien, davon hatte ich vorher keinen Plan. Das war schon so was wie die Ankunft im
      Zeitgeist. Und den kann man ja auch nur kritisieren, wenn man davon Ahnung hat", grinst er.
      Was macht er jetzt damit? So unglaublich das klingt in einer Stadt, die keine entsprechende
      Szene hat: ein Design-Studio aufbauen. "Das ist ein langer Weg, der jetzt erst beginnt", weiß
      Adi. Weggehen ist für ihn kein Thema. Den Jobs hinterher ziehen, mit diesem Zeitgeist hat er
      nichts am Hut: In Dresden ist sein Lebensmittelpunkt und vor allem sein Sohn, den er nicht
      einfach mitnehmen kann – von Aarons Mutter ist er schon lange getrennt. "Wenn es keine Arbeit
      gibt, muss man sich Arbeit schaffen. Man muss ein Macher sein." Vor Plattitüden ist auch Adi
      manchmal nicht gefeit. Ist das naiv? Naivität brauch’s, um wirklich Feuer zu entwickeln. Sonst
      würdest du vieles gar nicht anfangen.