RUFMANAGEMENT
Gut aussehen bei Google
Früher im BDSM-Verein, heute im Controlling? Wenn nur die Bilder nicht im Netz stünden! Eine Reihe von Firmen macht aus solchen Problemen ein Geschäftsmodell. Ein Überblick über die neuen Rufmanager im Netz.
Nehmen wir zum Beispiel Susi Blume. Seit ihrem siebzehnten Lebensjahr ist Susi in der Lack- und Leder-Szene von Olpe aktiv. Sie geht regelmäßig zu den Treffen des Bondage-Stammtisches Köln-Bonn und schreibt darüber Beiträge im Forum des
BDSM
-Vereins Nordrheinwestfalen. Auch ein paar Bilder von sich im Lackkostüm hat sie dort hochgeladen. Irgendwann hat sich durch Zufall ein prominenter Berliner Blogger in dieses Forum verirrt und fand eines ihrer Fotos so lustig, dass es in seinem Blog verlinkte. Auch hat ein anderer Vereinskollege ohne zu fragen Fotos von Susi in das Online-Fotoportal
Flickr
hochgeladen und mit den Schlagworten "Bondage" und "Susi Blume" versehen. Sucht man seitdem bei Google nach "Susi Blume", tauchen als erstes der Blogeintrag und diese Bilder auf. Susi, die mittlerweile als
Controllerin
bei einem großen Kölner Backwarenunternehmen arbeitet, ist darüber gar nicht glücklich.
Galerie: Die Rufmanager im Internet
Galerie: Die Rufmanager im Internet
Galerie: Die Rufmanager im Internet
Nein, Susi Blume gibt es nicht, aber wenn es sie gäbe, wäre sie die perfekte Kundin für eine neue Branche, die seit einiger Zeit im Netz entsteht: Online-Identitäts-Management. Große Unternehmen investieren schon seit langem viel Geld und Sorgfalt in die Pflege ihres Online-Image. Aber seit Google und andere Suchmaschinen zum Standard für jede Recherche geworden sind, müssen auch Privatpersonen sich zunehmend Sorgen um ihren Ruf im Netz machen. Ein falsches Foto oder der böse Eintrag eines Bloggers können darüber entscheiden, ob man in Zukunft noch einen Job, einen Studienplatz oder die Verabredung mit dem niedlichen Typen von nebenan bekommt. Mittlerweile hat Google noch Verstärkung von neuen so genannten Personensuchmaschinen bekommen, die Situation spitzt sich also zu.
Firmen wie ReputationDefender , Naymz oder I nternational Reputation Management haben das erkannt und zur Grundlage ihres Geschäftsmodells gemacht. Ihre Dienstleistung: das Image ihrer Nutzer und Klienten im Netz zu sichern – oder wieder aufzupolieren. Grob lassen sie sich in zwei Lager einteilen: Einige, wie ReputationDefender oder International Reputation Management bieten eine individuelle Beratung und sorgen dafür, dass unliebsame Daten aus dem Netz verschwinden – oder zumindest in der Liste der Google-Suchergebnisse nach unten wandern. Sie rufen freundlich bei Bloggern an, optimieren das MySpace -Profil für die Suchmaschinen und ziehen als letzte Instanz sogar für ihre Klienten vor Gericht. Andere, wie Claim-ID, Naymz oder der neue deutsche Dienst Myonid verfolgen eher einen Ansatz, wie er für das so genannte Web-2.0 typisch ist: Nutzer können auf diesen Seiten selbst ihre Netzidentität in einem Profil bündeln und kommentieren. So kann man zum Beispiel Namensverwechslungen ausschließen – Martin Schmidt, der Unternehmensberater ist nicht der Martin Schmidt, der früher mal eine Webseite über großkalibrige Feuerwaffen betrieben hat – und PR in eigener Sache machen.
Egal mit welcher Strategie, das Ziel der Rufmanager ist immer dasselbe: die Stärken ihrer Nutzer und Kunden sollen in den Vordergrund gestellt, die Schwächen und kleinen Verfehlungen in der Netzvergangenheit eher heruntergespielt werden.
Die Großreinemacher
Der größte der derzeit aktiven Rufmanager im Netz ist
ReputationDefender
. Die kalifornische Firma wurde im Herbst 2006 vom Juristen Michael Fertik gegründet und hat mittlerweile 45 Mitarbeiter.
ReputationDefender
räumt vor allem hinter seinen Klienten auf: Für umgerechnet etwa sieben Euro liefert die Firma monatliche Berichte über das eigene Netz-Image. Einen unliebsamen Blogeintrag oder ein peinliches Foto verschwinden zu lassen, kostet danach einmalig etwa 25 Euro.
Der juristische Weg ist für ReputationDefender dabei das allerletzte Mittel – weniger als ein Prozent der Fälle wird laut Fertik vor Gericht ausgetragen. Meist sei es viel effektiver, den Betreiber oder Administrator einer Seite freundlich darum zu bitten, einen Text oder ein Bild zu entfernen. Stellen sie sich trotzdem quer, wird verhandelt: Wenn schon nicht der gesamte Text verschwindet, so soll doch wenigstens der Nachname des Klienten nicht mehr auftauchen oder ein Text durch eine Bilddatei ersetzt werden – dadurch wird er für die Roboter der Suchmaschinen unsichtbar.
ReputationDefender
hat allerdings ein Problem, denn viele Daten im Netz lassen sich nicht einfach so entfernen. So räumt die Firma selbst ein, dass sie Zeitungsartikel oder öffentliche Gerichtsprotokolle nicht verschwinden lassen kann. Und selbst wenn sie die Betreiber dazu bekäme, diese Inhalte offline zu nehmen – was einmal im Internet veröffentlicht wurde, verschwindet bekanntlich
nie wirklich daraus
. Suchmaschinen speichern zum Beispiel Kopien von Webseiten in einem Langzeitspeicher, dem so genannten Cache, damit beliebte Seiten schneller geladen werden können. Selbst Webseiten, die längst offline sind, kann man dort noch wieder finden. Google löscht gecachte Seiten erst nach mehreren Monaten oder
ausdrücklicher Aufforderung
. Danach gibt es immer noch die
Wayback-Machine
, ein Archiv fast aller jemals online gewesenen Internetseiten seit 1996. Zwar tauchen Daten aus der Wayback-Machine bei der normalen Internetsuche nicht auf, theoretisch sind sie jedoch weiterhin im Netz zu finden.
Firmen wie ReputationDefender versuchen deswegen vor allem, die Suchmaschinen zu überlisten. Nach dem Prinzip: Wenn ein Schandfleck schon nicht verschwindet, kann er zumindest unwichtiger werden. Was bei der Google-Suche nicht auftaucht, ist im Netz so gut wie unsichtbar – und was man nicht sieht, macht auch keine Probleme. Das Ziel ist also, Google und andere Suchmaschinen dazu zu bekommen, positive Informationen über eine Person unter den Suchergebnissen weit oben anzuzeigen, unliebsamen Inhalte dagegen erst auf Seite zwei oder drei. Das zu erreichen ist allerdings zeitaufwendig und entsprechend teuer: Bei ReputationDefender zahlt ein Kunde für so einen Premium-Service umgerechnet mindestens 7.000 Euro.
Einen ähnlichen Luxusdienst bietet International Reputation Management aus Washington. Zu den Klienten der PR-Firma zählen in den USA Anwälte, Politiker und Universitätsdozenten. Sie zahlen drei- bis vierstellige Beträge im Monat, um im Netz hinter sich aufräumen zu lassen und sich von ihrer besten Seite zu zeigen.
Um die negativen Suchergebnisse auf die hinteren Seiten zu drängen, erstellen Gründer Nino Kader und seine Mitarbeiter für ihre Klienten eigene
MySpace
-Seiten, posten positive Fernsehberichte über sie auf
YouTube
oder lassen sie Blogs über ihr berufliches Fachgebiet führen.
Die PR-Werkzeuge im Mitmachweb
Ganz anders macht es der Onlinedienst Naymz : Statt teuren personalisierten Service anzubieten, lässt er Nutzer selbst Eigen-PR im Netz machen. Nolan Bayliss, Tom Drugan, und Tony Czupryna, die die Plattform im Juni 2006 in Chicago gegründet haben, hatten vor allem den Aufstieg sozialer Netzwerke wie MySpace, Flickr oder Facebook vor Augen. Bei Naymz können Nutzer kostenlos ein eigenes Profil erstellen und darin auf alle Stellen im Netz verweisen, die ihnen wichtig sind: Webseiten, Blogs, ihre Fotos auf Flickr oder Videos auf YouTube . (Susi Blume würde dort vermutlich ihr Profil im Geschäftsnetzwerk Xing und positive Erwähnungen in den Blogs von Kollegen auflisten, nicht aber ihre Lack-und-Leder-Bilder.) Naymz verspricht, dieses Profil dann so für die Suchmaschinen zu optimieren, dass es weit oben in der Liste der Suchtreffer auftaucht – im Idealfall als erster Eintrag über allen anderen potentiell peinlichen Daten.
Wer ganz sicher sein möchte, kann fünf Dollar im Monat für den Premium-Dienst zahlen. Naymz kauft dann bei Google und anderen Suchmaschinen einen Anzeigenplatz, "Sponsored Link" genannt. Von dieser bezahlten ersten Position in den Suchtreffern aus wird direkt auf das aufgemotzte Profil des jeweiligen Nutzers verlinkt.
Claim-ID
, ein ähnlicher Dienst, wurde im Juli 2006 von zwei Doktoranden an der University of North Carolina gegründet. In erster Linie ist
Claim-ID
dazu gedacht, seine verschiedenen Online-Profile und Passwörter an einer zentralen Stelle zu verwalten. Gleichzeitig funktioniert der Dienst ebenso wie
Naymz
als zentrale Plattform, um alle relevanten Informationen zur eigenen Person im Netz in einem Profil zu bündeln – und sich dabei möglichst gut darzustellen. Was im eigenen Profil auftaucht, entscheidet jeder Nutzer selbst. Hauptunterschied zu
Naymz: Claim-ID
bietet keine Premium-Option, die eine hohe Platzierung der Profile bei den Suchmaschinen garantiert.
Die Deutschen
Seit kurzem hat sich zu Naymz und Claim-ID auch eine deutsche Variante gesellt, die Plattform Myonid . Der von Mario Grobholz gegründete Dienst ist seit August 2007 online und noch in der Beta-Phase. Wie bei Naymz können Nutzer alle sie betreffenden Informationen im Netz in einem Profil bündeln und kommentieren. Im Moment geschieht das noch kostenlos, früher oder später wollen Grobholz und seine Mitstreiter aber ebenfalls einen Premiumdienst nach dem Vorbild des US-Konkurrenten einführen.
Im Gegensatz zu
ReputationDefender
versuchen Dienste wie
Naymz
oder
Myonid
gar nicht erst, unliebsame oder peinliche Informationen über ihre Nutzer verschwinden zu lassen. Sie erlauben es ihnen aber, diese Informationen zu kommentieren und einzuordnen. Susi Blume würde es allerdings vermutlich wenig nützen, ihr Engagement in der Sadomaso-Gemeinschaft damit zu entschärfen, dass sie es als kreatives Hobby einordnet.
41 /
2007
ZEIT online