INDIE

Wie aus dem Märchen

Joanna-Newsom-Alben sind eine seltsame Erfahrung. Singt dort eine eine uralte Frau oder ein kleines Kind? Auch ihr neues Werk „Ys“ lässt Raum für Spekulationen.

Von Julia Gudzent

Schon mit ihrem Debütalbum „The Milk-Eyed Mender“ zog Joanna Newsom Aufmerksamkeit auf sich. Vielleicht weil sie nicht daran gedacht hatte, sich an einige ungeschriebene Regeln des Genres Indie zu halten. Das beginnt schon mit ihrem Instrument: Statt der Gitarre bevorzugt sie eine Harfe. Deren Klänge werden auf „Ys“ nun von einem Orchester unterstützt; statt dreiminütiger Stücke erzählt Newsom auf „Ys“ wild ausgeschmückte Märchen von Bären, Affen und anderen Wunderlichkeiten.

Getragen werden die Geschichten immer von Newsons abwechslungsreicher Stimme: Manchmal glaubt man, eine uralte Frau erzähle Lebensweisheiten, dann wieder quäkt und nörgelt Newsom wie ein kleines Kind. Auf dem Cover inszeniert sie sich als wunderliche, feenartige Gestalt mit Blumen im Haar. Auch wenn sie sich mit ihren Macken und Schrulligkeiten gefährlich gen musikalisches Rollenspiel lehnt, so positioniert sie sich produktionstechnisch mit Steve Albini und Jim O’Rourke im Team ganz klar im Indie-Genre. So seltsam und eigenwillig Newsom auch ist, so einzigartig ist sie.

Joanna Newsom, „Ys“ (Drag City / Rough Trade)

Der Tonkopf in dieser Woche:

Das White-Trash-Mixtape - Eminem rappt über das Leben in der Wohnwagensiedlung

Klingt wie Britney Spears - Pop und HipHop auf einem Album bei Gwen Stefani

Ein Geschichtenerzähler - Olli Schulz traut sich auch mal, Dinge blöd zu finden

Drüber reden? - Der Tonkopf hat hier im Forum seinen Platz

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin

49 / 2006
ZEIT ONLINE