Festival
Einfach Danke
Der Literaturbetrieb ist mir egal. Festivals und andere Autoren meistens auch. Mit einer Ausnahme.
Als ich angefangen habe zu schreiben, hat es mich wenig interessiert andere Autoren kennen zu lernen, mich mit ihnen auszutauschen, mich mit Veranstaltern, Literaturkritikern, Germanisten anzufreunden, ein Teil des Literaturbetriebs zu sein oder auch nur ein Kenner.
Daran hat sich wenig geändert. Geschult an Autoren, die - wie Hunter Thompson es formuliert - in der sackgassenartigen Einsamkeit desjenigen leben, der seine eigenen Regeln aufstellt und danach lebt, habe ich nie eingesehen, warum Schriftsteller zusammenhocken sollen und sich gegenseitig loben, verreißen, kritisieren. Reden, über ihre Arbeit, ihre Frauen, ihre Trinkgewohnheiten, ihre Meinungen zu anderen Kollegen, über das Geschäft, über Kritiker, Verleger und Feuilletonisten.
Im Laufe der Jahre, habe ich den einen oder anderen doch kennen und schätzen gelernt, aber Veranstaltungen auf denen viele Schreiber waren, Literaturfestivals, lange Lesenächte, habe ich gemieden, so gut es ging. Oft ging es nicht gut und ich bin auf einer Großveranstaltung gelandet, auf der mich unwohl gefühlt und Geld verdient habe.
Ein Literaturfestival auf dem ich mich permanent wohl fühle, ist der Hausacher Leselenz. Organisiert von José F.A. Oliver in einem Städtchen mit knapp 5000 Einwohnern ist es kein Wunder, dass das Fest einen familiären Charakter hat. Josés Lyrik ist mir nicht immer zugänglich, doch er ist einer der Menschen, die mich am meisten beeindrucken.
In Indien lernen die Schüler in spirituellen Disziplinen oft auch, indem sie mit ihrem Lehrer einfach nur zusammensitzen.
Das leuchtet mir ein. Die Gegenwart eines Menschen kann einen viele Dinge lehren, auch wenn ich kaum zu hoffen wage, mal Josés Präsenz und Großmut zu haben. Sein Herz ist weit. Weiter als sein Geschmack und meistens auch weiter als sein Ego. Anstand und Haltung - wenn ich José ansehe, weiß ich, was diese Worte bedeuten könnten, in einer Welt, in der es um Anerkennung und Geld geht.
Und er steht im Dienst der gesamten Literatur, nicht nur seiner eigenen. Das werde ich von mir nie behaupten können, auch wenn mir dienen nicht fern liegt.
Fünf Tage war ich nun in Hausach und was zählte, war reden. Über all die anderen Dinge. Ich konnte das Band sehen, das die Worte zwischen uns bildeten. Ein Band viel mächtiger als Bücher. Als ich im Zug saß, auf dem Weg nach Hause, war ich vieles gleichzeitig: melancholisch, versöhnt, weich, glücklich, wehmütig, mutig und groß.
Was ich sagen wollte, ist eigentlich nur: Danke.
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26 /
2007
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