Plagen
Keine falsche Tierliebe!
Die Viecher sind eine Alltagsplage. Gäbe es ein offizielles Einsatzkommando, das sie niedermäht, wäre Almut Steinecke dabei. Diese Woche ihr Plädoyer für´s Taubenabknallen
Das Knacken ist kalt, es hallt durch den Busbahnhof. Ich starre weiter in mein Buch. Dann hält der Bus mit einem Ruck vor meiner Nase. Da erst werfe ich einen verstohlenen Blick Richtung Straße. Tatsächlich. Der Fahrer hat die beiden Tauben erwischt, überfahren, sie liegen tot auf dem Pflaster. Ich habe gesehen, wie er dabei gegrinst hat. Das war kein Zufall.
Ein paar Sekunden vor diesem Vorfall hatte ich es wieder gedacht: Tauben, ihr fliegenden Ratten, ihr widerlichen Viecher, wie ihr da über die Straße stakst – erschießen könnte ich euch. Und nun das. Der Busfahrer, der meine Gedanken in die Tat umgesetzt hat, einfach so, wie auf Wunsch, der danach ungerührt eine Kippe im Mundwinkel kaut. Und ich – eine Mörderin im Geiste?
Ja, das bin ich. Ich würde mich zwar nicht hinter das Steuer eines Busses setzen, um eine Taube plattzumachen, denn ein Tier kann ich nicht töten. Doch würde mir jemand die moralische Verantwortung abnehmen und gäbe es ein legales Einsatzkommando, das Tauben abknallt, ich würde mich sofort freiwillig melden.
Ich hasse die Viecher. Besonders, wenn sie auf dem Boden hocken, um dann hektisch hochzuflattern, wenn ich zu nah an ihnen vorbeigehe – immer über meinem Kopf oder knapp vor meinem Gesicht. Als würden sie nur auf mich warten und mich dann zu Tode erschrecken wollen.
Oder wenn ich angewidert beobachte, wie sie dreckige, alte Pommes vom Boden picken und in einem Ruck durch den dürren Hals hinunterwürgen. Tauben, Ratten der Lüfte, scheißen alles voll, fressen nur Müll, gierig, gurrend, flatterhaft, nickend, pickend. Pfui!
Mein Hauptargument dafür, Tauben auszulöschen, ist ihre Ungezügeltheit. Tauben kennen keine Grenzen, vor allem nicht die der anderen. Wenn ich frühmorgens auf die S-Bahn warte und mit einer Brötchentüte raschele, kommen sie sofort an, unkontrolliert ihrem Fresstrieb folgend. Kopfnickend suchen sie nach Krümeln, die zu Boden rieseln und stören mich bei meinem Bahnsteig-Frühstück. Dass ich drohend mit der Fußspitze wedele, schreckt sie höchstens ein paar Sekunden lang, dann kehren sie umso hartnäckiger zurück. Tauben sind lebendige Bumerangs.
Ebenso verabscheuungswürdig ist ihre Distanzlosigkeit: Tauben haben noch nie davon gehört, dass es einen Mindestabstand zu anderen Lebewesen gibt, den man einhalten sollte, will man friedlich mit ihnen auskommen. Ich weiß natürlich, dass die Taube mich deshalb anflattert, weil sie sich vor mir, dem groß gewachsenen Menschen, fürchtet. Warum aber räumt sie nicht schon früher das Feld, warum kommt sie überhaupt so nah ran an meine Welt?
Manche Tauben geben auch vor, sich nicht zu fürchten. Bei diesen Exemplaren entfaltet sich der tumbe Charakter umso nachhaltiger. Eine Taube mogelte sich einmal unter den erhobenen Stiefel eines Freundes: Sie war neugierig herangepickt, er hat zum Spaß das Bein gehoben und über ihrem Kopf kreisen lassen, in der Annahme, dass sie seine Drohung versteht und sich sodann vom Acker macht. Doch die Taube beäugte nur neugierig die Sohle meines Freundes von unten – völlig ignorant gegenüber der Tatsache, dass er jederzeit zutreten könnte. Sie stolzierte erst davon, als er das Gleichgewicht verlor und fast auf sie fiel.
Die Taube ist unangenehm, weil sie mir Gefühle aufdrückt, die ich ohne die Begegnung mit ihr nicht hätte. Wenn ich mich erschrecke, weil sie sich erschreckt zum Beispiel. Das sind negative Gefühle, ungewollte Adrenalinschübe im Alltag – kurz, Stress.
Man könnte sagen, ein Tier sei eben ein Tier mit einer beschränkten Intelligenz. Aber Hasen, Katzen, Hamster fressen doch auch nicht alles und springen einem auch nicht ständig ins Gesicht.
Ihre Fahrlässigkeit im Umgang mit sich selbst, ihre mangelnde Achtung sich selbst gegenüber weckt in mir nur Hass. Warum soll ich eine Taube lieben, wenn sie sich offenbar selbst nicht liebt? Also. Alle abknallen.
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14 /
2007
ZEIT ONLINE