KAVKA

Die Mini-Playback-Horror-Freakshow

In den USA singen 13-jährige Zwillinge Nazi-Lieder im Dirndl. Jetzt kommen sie zu einer NPD-Veranstaltung nach Deutschland. Markus Kavka will etwas unternehmen

Ihr erinnert euch noch an die Mini-Playback-Horror-Freakshow Prussian Blue? Nicht? Dann erst mal hier nachlesen .

So, nun seid ihr soweit informiert und habt auch den letzten Satz, "Ich halte euch auf dem Laufenden", gelesen. Insgeheim hatte ich gehofft, euch nie mehr etwas über die Gaede-Zwillinge Lynx und Lamb erzählen zu müssen, dass sie einfach von der Bildfläche verschwinden. Stattdessen ist das Worst-Case-Scenario eingetreten: Prussian Blue kommen nach Deutschland. Die NPD feiert am 17. Juni nahe der Gemeinde Cham in der Oberpfalz ihr "Sommerfest", und da hat man sich gedacht, dass die blonden, blauäugigen Braunen aus Bakersfield im sonnigen Kalifornien genau das Richtige wären, um Jung und Alt zu unterhalten.

Eingerahmt wird das Programm von Rednern wie dem NPD-Chef Udo Voigt oder dem NPD-Parteivorstand Sascha Roßmüller, dazu gibt’s dann außer Prussian Blue auch Musik von den Bands Hauptkampflinie und Burning Hate sowie dem Liedermacher Edei aus der Band Kraftschlag. Des weiteren erwarten den geneigten Neonazi ein Bierzelt, Infostände und - besonders bezaubernd - "eine Hüpfburg für die Kleinen". Darauf können dann auch Lynx und Lamb mit ihren gerade mal 13 Jahren noch rumtollen, nachdem sie ihren Auftritt - der vermutlich im Dirndl sein wird, weil das tragen sie so gerne - vielumjubelt hinter sich gebracht haben. Etwa 1000 Leute werden erwartet, darunter auch Rechtsextremisten aus Spanien, Griechenland und Schweden, und bestimmt wird auch Mama Gaede mit ihrer White-Supremacists-Blase anreisen, um traditionell Kekse in Hakenkreuz-Form zu verteilen. Sie wird sich wundern, dass dieses - ausgerechnet im Vaterland - bei Strafe verboten ist, präsentiert dann aber die neuen hübschen Fotos ihrer Zwillinge von ihrem "trip to the snow". Da bauen die zwei Mädchen herzallerliebst einen Schneemann - der am Ende natürlich aussieht wie der Führer, also mit dunkelbraunem Seitenscheitel und Bärtchen.

Prussian Blue haben dieses Jahr auch eine neue CD veröffentlicht. Titel: The Path We Chose . Noch müsste es eigentlich " The Path Our Parents Chose " lauten, aber so langsam sollte man den Girls auch einen Funken eigenen Verstand zutrauen dürfen, mit dem sie ihr Tun allmählich auch ein bisschen hinterfragen. Dazu taugen die wenigen textlich harmlosen Boy-meets-Girl-Songs auf der CD noch lange nicht, zumal sie selbstverständlich von einigen Coverversionen von, wie es heißt, "nationalistischen Klassikern" wie Ocean Of Warriors und Green Fields Of France eingerahmt sind.

Prussian Blue sind natürlich ganz aus dem Häuschen, weil sie endlich mal im Land ihrer Idole Adolf Hitler und Rudolf Heß auftreten dürfen. Und DASS sie das dürfen, ist eine Schande. In Australien war man alarmiert genug, um ihnen nach Protesten von Aborigines und jüdischen Verbänden die Einreise zu verweigern. Bleibt also alles mal wieder an der Antifa hängen. Auf antifa.de ist zwar noch nichts zu lesen, aber angeblich laufen die Vorbereitungen von Gruppen aus ganz Bayern sowie der Linkspartei für eine Gegenaktion unter dem Motto "Nazis Unplugged" auf Hochtouren. Wenn sie es einrichten: bitte mitmachen. Es wäre eine Katastrophe, wenn Prussian Blue und ihr Anhang nach ihrem Besuch auch noch denken, dass sie hier willkommen waren.

11 / 2006
ZEIT ONLINE