Geburtstag

Top Fourty

Ich wurde gerade 40. Trotzdem spiele ich noch in der Sandkiste. Ist das schlimm?

Die Kolumne von Markus Kavka

1967 kam die Kinderschokolade auf den Markt. 1967 kam auch ich auf den Markt. Seit dem 27.6.2007 bin ich vierzig. Ein Alter, das für mich vor gar nicht all zu langer Zeit - lassen wir es zwanzig Jahre sein - kein Alter, sondern eine Utopie war. Vierzig, das waren die Eltern, die Onkel, Tanten und alle anderen, mit denen man nicht spielte, weil man doch andere Interessen hatte.

Jetzt bin ich selbst so utopisch alt und habe es immer noch nicht so richtig von diesem großen Spielplatz runter geschafft. In diesen Tagen schrieben einige Magazine über mich, sie gratulierten - oder soll ich sagen? - kondolierten mit Überschriften wie "Der Hobbyjugendliche" oder "Beruf: Jugendlicher" und spielten dergestalt auf die vermeintliche Diskrepanz zwischen meinem Alter und meinem Haupterwerb an. Kann ich nachvollziehen. Ich dachte auch nicht, dass ich mit 40 noch Fernsehen für Leute mache, die halb so alt sind wie ich bzw. meine Kinder sein könnten. Ich frage mich in diesem Zusammenhang allerdings oft, was da die Henne und was das Ei ist. Bin ich immer noch bei MTV, weil ich eben so bin, wie ich bin, also offenbar nicht wie der handelsübliche 40jährige, oder bin ich einfach hängen geblieben, weil MTV mein Erwachsenwerden behindert hat?

Der Übergang von "etabliert" zu "tragisch" ist ein fließender, und gerade für den Betroffenen ein schwer zu greifender. Ich weiß, dass ich die Leute, die diesen Sender gucken, ernst nehme, egal wie alt oder jung sie sind. Ich weiß, dass ich meinen Job ernst nehme. Ich weiß, dass mich immer noch diese Neugierde hinsichtlich Musik und Menschen treibt, dass ich mindestens noch genau so weit von einem - nennen wir es mal - ruhigen, bürgerlichen Leben entfernt bin wie mit 20, und doch weiß ich auch, dass es genügend mahnende Beispiele für das klassische ´Hat-den-Schuss-nicht-gehört´ gibt, und das verunsichert mich. Ich frage mich, ob ich in meinem Leben jemals an einen Punkt kommen werde, da ich sage: "Das war früher, da war ich noch ganz schön durcheinander, aber jetzt bin ich ja alt und weise und vernünftig."

Neulich bin ich auf einer Geburtstagsparty gelandet, bei der ganz viele Leute in meinem Alter waren. Die haben sich dann - und manchmal treffen Klischees auf schmerzvolle Art und Weise zu - so lange über ihre Kinder, Aktienfonds, Golfhandicaps, Autos und Boote unterhalten, bis mir schlecht wurde. Ist nicht meine Welt. Nun muss natürlich nicht jeder mit 40 wahlweise ein Wichser oder Langweiler sein, dennoch stelle ich fest, dass ich genau drei Freunde in diesem meinem Alter habe, die meisten sind um die 30, einige auch deutlich darunter. Vielleicht bilde ich mir das auch ein, aber ich habe den Eindruck, dass, anders als früher, sich Menschen weniger wegen des (gleichen) Alters finden als vielmehr wegen gleicher Interessen. Auf einer Animé-Messe scherzen angemalte 14jährige mit einem 40jährigen im Häschenkostüm, beim Tomte-Konzert geht es altersmäßig bei 15 los und hört mit Ende 40 erst auf, auf beiden Seiten spart man sich Sprüche wie "Was will denn der Opa hier?!" bzw. "Darf das Gemüse überhaupt schon so lange aufbleiben?!" Alterslosigkeit als Chance, alles kann, nichts muss. Wäre ja noch schöner, wenn ich nur noch bei After-Work- oder 80er-Partys reingelassen werden würde und bei Raves und Indie-Konzerten draußen bleiben müsste.

Ich bin auch noch ganz gut zu Fuß und tanze bisweilen sogar. Oder anders: Der Körper macht noch mit. Treppensteigen hoch in den fünften Stock bringt mich zwar etwas aus der Puste, aber das ist bei jemandem, der raucht, trinkt und überhaupt keinen Sport macht, auch nichts Außergewöhnliches. Ich habe aber noch keine dritten Zähne und auch noch alle Haare auf dem Kopf, und obwohl sich die Bandscheibenvorfälle in meinem Umfeld häufen, denke ich auch hier, dass da so bald nichts ansteht, weil´s eben noch nirgends knirscht und zwickt. Aus einer Laune heraus habe ich mir allerdings einen Tag nach meinem Geburtstag meine erste Anti-Falten-Creme gekauft. Das Design des Produkts hat mich angesprochen, und 12 Euro sind nix. Ob ich die Pampe jetzt regelmäßig benutze, steht allerdings wieder auf einem ganz anderen Blatt.

Ich habe meinen vierzigsten Geburtstag auch nicht wirklich gefeiert. Stattdessen verdrückte ich mich mit meiner Freundin für zwei Tage nach Mallorca. Zwar auch, um Diskriminierungsversuchen und Spontanfestivitäten zu entgehen, in erster Linie aber um am Meer zu sein, weil das für mich das größte Geschenk ist, außerdem habe ich das Gefühl, seit Dreißig nicht mehr signifikant älter geworden zu sein, also war der 27. Juni 2007 für mich ein Tag wie jeder andere. Es kam auch niemand auf die Idee, mir einen Fonds, ein Boot, ein Haus, einen Kinderwagen, eine Angel, einen Golfschläger oder ein "Ich bin 40, bitte helfen sie mir über die Straße"-Shirt zu schenken. Meine Eltern meinten lediglich, dass ihnen die Tatsache, dass ich jetzt vierzig bin, nachdrücklich vor Augen geführt hätte, dass sie selbst nicht mehr ganz so jung seien. Aber hey, 61 bzw. 64 ist doch kein Alter, das werden meine Eltern auch so sehen, wenn wir 2047 zusammen meinen 80. Geburtstag feiern. Ein Lebenserwartungsrechner im Internet spuckte nämlich aus, dass ich 86 werde, und ich hab bei der Eingabe meiner Daten null geschummelt!

Wenn sie bei der Kinderschokolade mal wieder ein neues Gesicht brauchen: Ich bin dabei.

Auch schön:

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27 / 2007
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