Filmpreis

Ich bin der Echo-Typ

Ich habe mich in eine Veranstaltung geschlichen, auf der ich eigentlich nichts verloren habe: den Deutschen Filmpreis.

Die Kolumne von Markus Kavka

Meine einzige zarte Berührung mit diesem Metier hatte ich zu Zeiten meines Theaterwissenschaftsstudiums in den Jahren 1988 bis 1993. Da wählte ich in der Magisterprüfung Brecht sowie das Kindertheater ´Rote Grütze´ als Themen, wirkte in einem Kurzfilm mit, wirkte aber auch recht verloren unter all den ambitionierten, angehenden Schauspielern, oder, wie sich besonders die Jüngeren unter ihnen selbst nennen, Gauklern. In früheren Jahrhunderten bezeichnete man so fahrende Unterhaltungskünstler, ihr Sozialprestige war niedrig, ihr Einkommen auch.

Heutzutage gehören Gaukler augenscheinlich zur Hochkultur und werfen mit Geld, das ihnen der Hochkulturstaatsminister schenkt, nur so um sich. Ein hochrangiger Plattenfirmenfunktionär zeigte sich mir gegenüber jedenfalls sehr zerknirscht darüber, dass es "einfach mal so weitere 40 Millionen Euro zum Filmchenmachen" gibt, während die Musikindustrie finanziell darbt. "Man könnte doch auch mal 40 Millionen in die Förderung junger deutscher Bands stecken, Musik mögen die Leute doch mindestens genauso gerne wie Filme." Womit der Mann natürlich nicht Unrecht hat - was der Filmbranche naturgemäß aber ziemlich am Arsch vorbei geht. Eine Musikdarbietung während der Verleihungszeremonie? Nein danke, das würde jede Festlichkeit zerstören. Der ein oder andere Musikant als Zaungast bei der Aftershowparty? Sorry, die Tickets gehen alle an Filmschaffende raus.

Folgerichtig fragte mich auch fast jeder dieser Filmschaffenden, was ich denn bei dieser Veranstaltung verloren hätte, ich wäre doch eher so der "Echo-Typ". Gott bewahre. Den Echo habe ich in den vergangenen Jahren geschwänzt, weil er und die Gespräche und Protagonisten dort zunehmend ärmlicher und anstrengender wurden. Das muss man dem Deutschen Filmpreis wirklich lassen, vordergründig betrachtet hängen dort wenige Blödis rum. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es, um im Gauklergewerbe Fuß zu fassen, eines gewissen Maßes an Intelligenz und Esprit bedarf.

Jedenfalls waren die Gespräche an diesem Abend trotz freien Saufens auf deutlich höherem Niveau als bei vergleichbaren Musikveranstaltungen. Die Liste erfolgreich musizierender Vollspacken ist endlos, und wer viele Platten verkauft, darf leider auch viel reden, und dann denkt man sich immer "Auweia, halt du mal lieber die Fresse, sonst wird das nie was mit Förderung und Hochkultur". Und während sie einem beim Echo stolz von Drogen- oder Alkoholabstürzen erzählen, erfährt man beim Filmpreis beispielsweise Lustiges und Interessantes übers Elterndasein. Da berichtet einem ein Schauspielerpärchen, mit dem man vorher noch nie ein Wort wechselte, heiter vom gerade erlebten gemeinsamen Klobesuch, der eben nicht erfolgte, um schnell mal was zu ziehen, sondern um abzustillen. Die Frau gab Kommandos wie "Du musst fester drücken und saugen!", ihr Typ lachte und nuckelte, die Klofrau guckte erst böse, als die beiden rauskamen, weil sie irgendwelche Schweinereien vermutete, musste dann aber ob so viel Elternglücks auch herzlich lachen.

Nur einer scheint im Moment alle zu nerven, und das ist Florian Henckel von Donnersmarck, der seine "Ich bin Oscar!"–Tour 2006/2007 vollkommen unbeirrt auch beim Filmpreis fortsetzte. Jedenfalls offenbarten mir fast alle Gesprächspartner ohne Not, dass ihnen das fleischgewordene Dauerlachen gehörig auf den Sack geht. Klar, die Filmleute haben auch so ihre Problemchen, zum Beispiel waren einige etwas irritiert ob der Tatsache, dass Tom Tykwer für Das Parfum nur mit Trostpreisen und eben nicht der Lola für den besten Film und die beste Regie geadelt wurde, oder dass Devid Striesow, geehrt als bester Nebendarsteller für Die Fälscher , wegen einer Autopanne nicht erschien, und dass Josef Bierbichler, der beste Hauptdarsteller ( Winterreise ) sich gar nicht erst auf den Weg machte, weil er lieber irgendwo Theater spielte.

Irgendwann am späteren Abend holte mich meine Branche dann doch wieder ein, und dies auch noch mit einer kruden Kreuzung aus Musik und, na ja, Film. Ein etwas schmierig aussehender Typ hatte folgendes Zuckerl für mich: "Ey, du bist doch der Kavka von MTV! Ich hab schon Sachen für Marienhof gemacht und arbeite gerade an einem Kinofilm. Ist so ´ne Art Komödie. Kannste dir vorstellen, da im Prinzip dich selbst, also ´nen VJ zu spielen?" Nein, kann ich nicht, aber frag´ mich beim Echo doch noch mal.

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19 / 2007
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