Gegen Rechts
Dummheit ist heilbar – Teil 2
Erinnert ihr euch noch: Wir wollten was gegen Nazis machen. Jetzt kann es langsam losgehen.
Vielleicht könnt ihr euch noch an meine Kolumne vom 28. September 2006 mit dem Titel "Dummheit ist heilbar" erinnern. Wenn nicht, dann bitte hier nachlesen. Seitdem ist einiges passiert. Ich will euch an dieser Stelle mal auf den neuesten Stand bringen.
Zunächst muss ich zugeben, dass ich die Idee zwar mit sehr viel Enthusiasmus, aber auch ziemlich naiv anging. Ich dachte tatsächlich, dass Ole Tillmann und ich mal eben an Schulen fahren, die ein Problem mit Rechten haben, ein bisschen Ladida und Diskussion anzetteln und danach gibt es dort keine Nazis mehr. Das ist jetzt ein bisschen überspitzt ausgedrückt, tatsächlich habe ich die Komplexität des Themas aber schon ein wenig unterschätzt.
Fakt ist, dass wir seit einem halben Jahr kontinuierlich an der Umsetzung der Idee arbeiten und dank der Hilfe tapferer Mitstreiter bald endlich loslegen können. Eine Schule aus Brandenburg hat bereits angefragt, ob wir dort einen Aktionstag veranstalten könnten.
Können wir selbstverständlich, allerdings wollen wir dann auch entsprechend gewappnet sein. Diese Woche besuchten einige der am Projekt Beteiligten einen Workshop im
Anne Frank Zentrum Berlin
, in dem richtig gepaukt wurde. Zunächst ging es darum, uns das Basiswissen in punkto Rechtsextremismus zu vermitteln. Dazu gehörten eine Interpretation des Parteiprogramms der NPD, ein Überblick über die Methoden und Vorgehensweisen dieser und anderer rechter Gruppierungen, sowie ein Abriss über rechte Musik und Ausdrucksformen, mit speziellem Augenmerk auf der Verbindung zwischen Jugendkulturen und Neonazis.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Veranstaltung: Wie argumentiere ich gegen rechte Äußerungen? Das bereitet mit am meisten Kopfzerbrechen. Ich gestehe, dass mich renitentes, rechtes Dummgelaber aggressiv macht. Ich verzweifle in solchen Momenten gerne mal an der kompletten Menschheit, weil ich nicht verstehe, wie man selbst die einfachsten Regeln des sozialen Miteinanders partout nicht auf dem Schirm haben kann. Wenn Begriffe wie Menschenrechte und Toleranz so gar nicht zum Weltbild des Gegenübers gehören, bin ich schnell geneigt, den Schauplatz frustriert und deprimiert zu verlassen.
Damit ist aber niemandem geholfen. Deswegen werde ich üben, solche Situationen stoisch auszusitzen und im Idealfall dabei auch noch ganz schlaue Sachen zu sagen. Für Interessierte empfehle ich an dieser Stelle das Buch Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg! - Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt von Jonas Lanig und Marion Schweizer.
Die Erfahrungen, die das Anne Frank Zentrum mit Aktionen an Schulen gemacht hat, zeigen, dass die Rechtsradikalen bereits in jungen Jahren rhetorisch überdurchschnittlich gut ausgebildet sind. Den stumpfen Skinhead-Prolls fällt in der Szene eher der Straßenterror zu, vergleichbar mit der SA im Dritten Reich. Eigentlich wanzt die NPD sich aber vor allem an die gebildeten Eliten ran - und dies mit perfiden Methoden. In einigen Gemeinden Sachsens bietet die NPD beispielsweise kostenlose Nachhilfe in Deutsch, Mathematik und Englisch an. In den Schulen werden bereits 10-jährige und deren Eltern angesprochen. Und wenn man nicht aufpasst und sich genau über den Hintergrund des netten Nachhilfeonkels informiert, hat man die Nazis ganz flugs und ohne es zu wissen im eigenen Haus sitzen. Darüber hinaus organisiert die NPD am Wochenende Ausflüge und ist auch sonst sehr präsent, wenn es um soziale Belange geht. Wenn man es sich genauer besieht, werden mehr und mehr Inhalte besetzt, die früher Domänen der Kirche waren, und das ist alarmierend.
Zurück zum Status Quo unserer Aktion. Neben Ole und meiner Wenigkeit haben sich inzwischen einige weitere Mitstreiter gefunden. Im Boot ist natürlich der Zuender selbst, dazu gibt es Kooperationen mit anderen großen jugendrelevanten Online-Angeboten. Demnächst wird auch ein Weblog gestartet, in dem Experten Beiträge verfassen werden, die sich schon seit langem mit der rechten Problematik auseinandersetzen. Auch euer Input ist dort gefragt. Sinn und Zweck des Blogs ist unter anderem, einen gemeinsamen Pool zu schaffen, in dem Meldungen über rechte Aktivitäten aus ganz Deutschland gebündelt werden, um entsprechend darauf reagieren zu können.
Damit das Ganze wahrgenommen wird, kümmert sich die Agentur We Do um die Öffentlichkeitsarbeit. Zudem sind wir angedockt an die Initiative Gesicht zeigen , die uns in Sachen Kontakte, Know-how und Logistik unterstützt.
Viele von euch scharren schon mit den Hufen und wollen dabei sein. Die Resonanz auf die Kolumne war enorm, einen weiteren Schub gab es unlängst, als der Text in meinem Buch erschien. Leider habe ich nicht genug Zeit, um auf jede eurer Mails zu antworten, aber spätestens im Blog treffen wir uns dann alle, tauschen uns aus und konzentrieren die Kräfte. Ich jedenfalls bin motivierter und enthusiastischer denn je, und obwohl ich einsehe, dass gut Ding Weile haben will, hoffe ich, dass wir bald loslegen können.
Nachtrag vom 12.11.2007: Heute ist der Störungsmelder, das gemeinsame Blog von Markus Kavka, Zuender, jetzt.de, Intro und vielen anderen an den Start gegangen. Das ist nur ein erster Schritt - wie es weiter geht, könnt ihr nun hier lesen: www.stoerungsmelder.org
Auch schön:
Dummheit ist heilbar, Teil 1
- Ich bin soweit, ich will
etwas gegen Nazis tun. Ein Stellenangebot - nicht nur für Fernsehfuzzis
Alle Texte der Kolumne
- Markus Kavkas elektrische Zahnbürste
Drüber reden?
- Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert
Nach Hause
- Zuender. Das Netzmagazin
15 /
2007
ZEIT online