RAPPER

Flitzpiepenalarm

P. Diddy und Snoop Dogg waren zu Besuch bei MTV in Berlin. Also der eine von ihnen – der andere schlief nämlich im Hotel ein.

Die Kolumne von Markus Kavka

Gestern war in den heiligen MTV-Hallen mal wieder Superstar-Vollalarm. Zu einem spontanen Nachmittagsbesuch hatten sich angesagt: Herr P.Diddy und Herr Snoop Dogg. Zwei der größten Player im HipHop-Showgeschäft also, allerdings auch zwei der größten, ähem, Deppen.

Ein siebter Sinn unserer Musikredaktion verhinderte im Vorfeld, für diesen Tag den ganz großen Aufschlag zu planen. Wenn sich sonst Leute dieses Kalibers in der Stadt befinden, ist in den meisten Fällen klar, dass sie bei TRL zu Gast sind und dort auch performen. So etwas wird dann wochenlang vorher beworben, das Studio wird mit Fans gefüllt und vor den Fernsehern gucken im Idealfall ganz viele Menschen zu.

Aufgrund des bekannten Phlegmas des Herrn Diddy und der gesetzeswidrigen Dämlichkeiten des Herrn Dogg, sollte der gestrige Einsatz bis zuletzt seinen Überraschungscharakter behalten. Notgedrungen, wie bereits angedeutet. Snoop Dogg war vergangenes Wochenende nach dem Konzert in Stockholm gerade erst wieder eingebuchtet worden, weil sich die Polizei des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass der Gute auf der Bühne breit für drei war.

Erst vor wenigen Monaten war er an einem Flughafen in Kalifornien verhaftet worden. Er wollte eigentlich nur jemanden abholen, stellte allerdings seine Karre keck im absoluten Halteverbot ab, weswegen die Polizei einen genaueren Blick wagte und im Auto Drogen und Waffen fand. Kurz vor dieser Episode gab es weiteren Flughafenstress, weil der feine Herr einmal mit einem Schlagstock im Handgepäck ausreisen wollte, ein anderes Mal zerlegte er mit seiner Crew einen Duty-Free-Laden in London-Heathrow, weil man ihn zuvor nicht besoffen an Bord lassen wollte.

P.Diddy hat diesbezüglich eine einigermaßen weiße Weste, allerdings gibt er einem ständig das Gefühl, überhaupt NICHTS mehr nötig zu haben, weswegen man irre dankbar sein sollte, wenn er irgendeine der getroffenen Vereinbarungen einhält. Und so stand der ganze gestrige Tag groß im Zeichen von vielleicht . Mittags hieß es: Snoop kommt um 16 Uhr zu TRL. Zwei Stunden vor der Sendung die Meldung: P. Diddy kommt nun auch. In der Realität sah dies gegen 15 Uhr wie folgt aus: Da die Herrschaften in zwei verschiedenen Berliner Hotels untergebracht waren (so viel zum in der Öffentlichkeit zur Schau gestellten Kumpeldasein), hieß es aus beiden Camps: Wir fahren erst los, wenn der andere auch losgefahren ist. Klar, dass somit erst mal gar nichts passierte, bis P.Diddy schließlich ein Einsehen hatte und sich auf den Weg machte. Doch was war mit Snoop?

Ein Anruf bei Diddys Fahrer beförderte zu Tage, dass niemand was wusste, weil man keine Telefonnummer der anderen Partei hatte, um dort mal nachfragen zu können. Das Ende vom Lied: Vor lauter Warten auf Diddy, war Snoop schließlich im Hotel eingepennt und wollte auch nicht mehr gestört werden. Zähneknirschend schlurfte Diddy also alleine zu TRL, um dort sein uninspiriertes Pflichtprogramm abzuspulen. Das Konzert am Abend pries er als unvergessliches, nie dagewesenes Erlebnis an, weil auf der Bühne ganz irre Sachen passieren, sein aktuelles Album Press Play ist natürlich sein bisher bestes, wenn nicht sogar das großartigste HipHop-Album aller Zeiten, und sein Duft Unforgivable sind wie die Klamotten seines Labels Sean John selbstverständlich totale Must-Haves.

Keine Frage, Diddy ist ein cleverer Geschäftsmann, aber dass sein Auftritt so dermaßen dem eines Vitaminpillenverkäufers auf einer Butterfahrt glich und so gar nichts Echtes und Ehrliches hatte, war dann dennoch ernüchternd. Danach war Diddy auch müde und sagte die zugesicherten Interviews ab, genau so wie den Dreh in der Halle, und zwar mit folgender abstruser Begründung: "Wenn die deutschen Fans schon keine Tickets kaufen, dann sollen sich auch kein Live-Material von meinem Konzert bekommen." Ja, genau, damit die folgenden Shows auch so schön leer sind. Mann, Mann, Mann… Dann kannst du dir deine beschissene Press Play -Platte, die ohnehin keine Sau gekauft hat, auch direkt irgendwo hinschieben, und deinen blöden Puff-Duft kannste bestenfalls als WC-Spray verwenden oder ihn direkt in selbiges schütten.

Da hilft es hoffentlich auch nichts, dass Unforgivable während des Konzerts auf Großbildleinwand beworben wurde. Das war nur eins von vielen unangenehmen Dingen in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Mit knapp 5000 Zuschauern war sie gerade mal zur Hälfte gefüllt - kein Wunder bei Ticketpreisen von 50 Euro - entsprechend war die Stimmung im Publikum. Auf der Bühne gab´s ein "Ah Yeah" und "Check it out" nach dem anderen sowie den fortwährenden Beweis, dass Diddy ein äußerst mittelmäßiger Rapper ist.

Zumindest das kann Snoop Dogg wenigstens, und so waren die wenigen musikalischen Highlights ihm vorbehalten, der nicht zuletzt dank cleverer Produzentenwahl auch den ein oder anderen Hit im Repertoire hat. Doch auch das konnte nicht über den unfassbar blutleeren Charakter der Veranstaltung hinweg täuschen, und als am Ende bei P.Diddys "I´ll Be Missing You" auf der Leinwand nebst Bildern toter Legenden der schwarzen Musik, wie Notorious B.I.G., Tupac Shakur und James Brown, auch noch das Konterfei von Prinzessin Diana auftauchte, hatte die Sause sogar noch etwas unfreiwillig Komisches.

Und so ging ein vermutlich für alle Seiten unbefriedigender Tag zu Ende. Ich möchte dennoch nicht versäumen, den einzig wahren Helden all dessen lobend zu erwähnen. Ein TRL-Zuschauer hatte beim Handshake mit P.Diddy versucht, dessen Ring abzustreifen und zu klauen. Hat leider nicht geklappt, war aber trotzdem genau die richtige Maßnahme.

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12 / 2007
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