Fußball

Lieber Uli Hoeneß

Ich leide, wenn ich die Bayern spielen sehe. Aber noch mehr, wenn du nur vom Geld redest. Ein großer Acker allein bringt dem Bauern nichts. Kauf endlich wen!

Von Markus Kavka

Manchmal spielt mir mein Unterbewusstsein derbe Streiche. Diese Nacht träumte ich, dass meine Freundin sich von mir trennen will. Sie stand irgendwo mit einem fremden Typen herum, ich kam zufällig vorbei, wurde nicht so wirklich beachtet und schließlich mit den Worten "Das bringt nichts mehr, ich brauche mehr Freiheit, eine Veränderung in meinem Leben!" von dannen geschickt. Ganz klar: Sie = FC Bayern München. Ich = Felix Magath.

Der FC Bayern ist seit über 30 Jahren meine große Liebe, eine Liebe, die nie geht. Weil so ist das ja mit Fußballvereinen, sie machen niemals mit einem Schluss, und auch man selbst bleibt immer da, in guten wie in schlechten Zeiten. In dieser Saison habe ich, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau, gelitten wie ein Hund. Miserabel haben sie gespielt, meine Helden, wie ein emotionsloser, blutleerer Haufen Fußballsachbearbeiter, ohne Feuer, ohne erkennbares taktisches Konzept, wie tot.

Felix Magath hat sich das trostlose Gekicke zumeist stoisch von draußen angesehen, nach besonders katastrophalen Spielen, wie zum Beispiel dem 1:4 in Mailand, haderte er weltfremd mit dem Schiedsrichter oder flüchtete sich in Ironie. Als Mensch mochte ich Magath, mit seiner liebenswerten Kauzigkeit und seinem feinen Humor war er in der weitestgehend spaßfreien Zone Bundesliga eine erfrischende Ausnahmeerscheinung. Vielleicht lag genau darin auch das Problem.

Sollte nämlich Magath mit seinen Spielern genauso geredet haben wie mit der Presse, haben sie ihn nicht verstanden. Kaum einer Bevölkerungsgruppe ist Ironie so fern wie Fußballern, beim FC Bayern dürfte allenfalls Mehmet Scholl wissen, was das ist. Vielleicht hat Magath vor lauter Gram überhaupt nicht mehr mit seinen Dumpfbacken sprechen wollen, zumindest deutete dies mal Lukas Podolski in einem Interview an, als er offenbarte, dass sein Trainer noch Wochen nach seinem Wechsel von Köln nach München immer noch nicht länger als fünf Minuten mit ihm geredet habe.

Dazu passt auch, dass Magath gern durchblicken ließ, dass Spieler von dem Kaliber, wie es beim FC Bayern Standard ist, gefälligst selbst wissen müssten, wie sie sich auf dem Rasen taktisch zu verhalten haben. Tun sie aber nicht, weswegen die letzten Spiele diesbezüglich ein Offenbarungseid waren.

Das muss Magath sich ankreiden lassen - wofür er allerdings nichts kann, ist die kopflose Einkaufspolitik von Hoeneß und Rummenigge. Gerade Hoeneß nervt mit seinem Festgeldgeschwafel. Ist ja ganz ehrenwert, dass man im Gegensatz zu den meisten anderen Vereinen reichlich Zaster auf dem Konto hat, weil man vernünftig wirtschaftet, aber einem Bauer bringt auch der größte Acker nichts, wenn er nur einen kleinen Pupsi-Traktor hat, um ihn zu bestellen.

Am erfolgreichsten war der FC Bayern, als Typen wie Matthäus, Effenberg und auch Ballack auf dem Platz gesagt haben, wo es lang geht. Ein Ballack-Nachfolger wurde bewusst nicht geholt, der Markt gab angeblich nichts her. Wobei ich mich - zugegebenermaßen neiderfüllt - schon frage, woher Werder Bremen immer wieder aufs Neue so Typen wie Diego für ´nen Apfel und ´n Ei aus dem Hut zaubert.

Gerade, als ich die diese Zeilen schreibe, kommt die Meldung rein, dass Magath jetzt beim HSV Trainer sein soll und dort Thomas Doll beerbt. Gruselig. So recht kann ich mir allmählich nicht mehr vorstellen, dass sich all dies gestern und heute einfach so spontan fügte. Wieso lehnte Ottmar Hitzfeld vor kurzem noch Angebote von Hamburg und Dortmund ab? Weil er schon viel früher wusste, dass er Anfang 2007 Magath ablösen würde? Warum hat der HSV Doll nicht früher entlassen? Weil man wusste, dass Magath erst im Januar zur Verfügung stehen würde? Geht Doll jetzt nach Mönchengladbach? Und wer trainiert Bayern nächste Saison? Klopp, Klinsmann, Wenger, Mourinho (mit Ballack als Rückkehrer im Gepäck)? Oder will gar keiner mehr nach München außer Granaten wie Lattek, Vogts, Ristic, Rutemöller, Neururer oder Berger?

Der Typ aus oben beschriebenem Traum sah übrigens nicht aus wie Ottmar Hitzfeld. Aber schräg war das schon, weil meine Freundin genau in dem Moment nach Hause kam und mich weckte, als ich mir die "Und nun?"-Frage stellte. Im Halbschlaf faselte ich noch ein paar Mal irgendwas von wegen "Ja, du brauchst deine Freiheit, noch viel mehr, als du eh schon hast", weswegen meine Freundin kurz dachte, ich würde mich allen Ernstes spontan von ihr trennen wollte. Und obwohl das ja bei Männern oft so ist, dass sie erst Schluss machen, wenn schon eine Neue parat steht, sei hier noch mal versichert, dass es keinen Hitzfeld und keinen Magath zum Nachrücken gibt. Ganz im Gegenteil, ich bin sehr glücklich mit dem, was ich habe.

Bin trotzdem gespannt, was ich in der kommenden Nacht träume.

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06 / 2007
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