Protest in USA
„Have Fun on Judgement Day“
Connie lebt seit 1981 in einem Zelt vor dem Weißen Haus in Washington und demonstriert gegen alles Böse in der Welt. Ist sie verrückt?
Connie, die kleine Lady mit den spanischen Wurzeln, entfernt sich nur ungern von ihrem Zelt an der 1600 Pennsylvania Avenue. Muss sie zur Toilette oder etwas essen, warten freundliche Helfer auf ihre Rückkehr.
Sonst würde Connie ihren Status als Demonstrierende verlieren, und den hält sie schon seit 1981. In Schnee und Regen, Hitze und Kälte steht sie seit 27 Jahren vor dem Weißen Haus in Washington und demonstriert.
Wogegen? Gegen die Übel der Welt. Als da wären: Nuklearwaffen, Kindesmisshandlung, die amtierende Regierung und so weiter. Auf eines ihrer Plakate hat sie gepinselt: „Ban all atomic weapons or have fun on judgement day” (Schafft alle Nuklearwaffen ab, oder habt Spaß am Tag des Jüngsten Gerichts).
Fragt man sie nach dem Grund ihrer Ausdauer, sagt sie: „Wir müssen unseren Kindern beibringen, das Leben zu respektieren und nicht materielle Dinge. Das ist die einzige Möglichkeit um Frieden zu schaffen.“
Fragt man Connie hingegen, woher sie komme, antwortet sie: „Ich bin eine Bürgerin der Welt!“ Mehr will sie anfangs über sich nicht sagen, nur langsam dringt man zur Privatperson Connie, Conchita oder Concetta durch – um nur einige der Namen zu nennen, die sie Neugierigen aufbindet.
Ihre Geschichte, die sie so ähnlich auch auf ihrer Webseite schildert, beginnt im Jahr 1960. Damals siedelte Connie aus ihrer Heimat Galicien nach Amerika über. Alles sah gut für sie aus, sie war vernarrt in einen Geschäftsmann sizilianischer Herkunft und heiratete diesen prompt. Wenig später adoptierte das Paar eine Tochter, Connie arbeitete als Übersetzerin für Spanisch in der Handelskammer der Vereinten Nationen (UN).
Da zerbrach plötzlich ihr Leben: Die Ehe landete vor Gericht, ihr Mann verleugnete eine Affäre, schließlich schaffte der einflussreiche Gatte es, das Sorgerecht für die Tochter an sich zu reißen. Vor Gericht habe er erklärt, Connie sei mit der Mutterrolle überfordert gewesen.
Seitdem demonstriert sie, enttäuscht vom amerikanischen Staat und ihren Mitmenschen, vor dem Weißen Haus. Zu Beginn leistete ihr der Pazifist William Thomas Gesellschaft, der damals den Gehsteig des Weißen Haus gegenüber des Lafayette-Parks besetzte. Conchita schloss sich ihm an und wurde seitdem von der Polizei gejagt. Mindestens sieben Mal habe sie in Untersuchungshaft gesessen, sagt sie.
In der Tat versuchten Polizei und Militär oft, die unbewaffnete Frau zu verjagen. Deshalb versteckt Connie einen Helm unter ihrem bunten Kopftuch – was lustig aussieht, als trüge sie eine opulente Perücke.
Ihre Worte klingen präzise und überzeugt, sie scheint weder fanatisch noch verrückt. Vielleicht etwas schrullig und dickköpfig. Für viele ist die Dauerdemonstrantin eine Heldin, für andere eine alte Närrin, die immer wieder die gleichen Slogans wiederholt.
„Ich habe hier viele Präsidenten gesehen“, sagt Connie. „Keiner von ihnen hat mich je eingeladen, mit ihm zu sprechen. Sie versuchen, mich loszuwerden, aber das zeigt nur, dass sie Angst haben.“
Ein wenig erinnert sie an Maude, aus Harold & Maude, dem Filmklassiker aus den Siebzigern. Wahrscheinlich weiß sie das nicht und wenn – es wäre ihr auch egal.
Regelmäßig malen Sympathisanten und Touristen Sätze wie „Please don’t give up, we need you here!“(Bitte gib nicht auf, wir brauchen dich!) auf ihre Tafeln. Kaum jemand geht fort, ohne sich mit ihr fotografieren zu lassen. Das Bild erscheint vielen wie ein Glücksbringer.
Connie sieht die Friedens- und Protestgruppen, die sich hin und und wieder zu ihr gesellen, pragmatisch: „Die kommen und gehen“. Sie aber bleibt.
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2008
ZEIT ONLINE