Holocaust-Kunst
Heilsame Schocks?
Junge jüdische Künstler machen Pop Art über den Holocaust. Warum sie das tun, erklärten sie auf der Konferenz "The Holocaust, Art and Taboo"
Das
Tagebuch der Anne Frank
als Manga. Ein Konzentrationslager als Lego-Bausatz. Oder die
Giftgas-Giftsets
, farbige Zyklon-B-Dosen, die mit
Chanel
- und
Tiffany
-Logos verziert sind - wenn sich zeitgenössische Künstler mit dem Holocausts auseinandersetzen, wirkt das Ergebnis oft provozierend und geschmacklos.
"Diese Künstler-Generation, die den Holocaust selbst nicht mehr erlebt hat, arbeitet nicht ein eigenes Trauma auf", sagte die Amerikanistik-Professorin Susanne Rohr, die zu Holocaust-Darstellungen forscht. "Sie beschäftigt sich eher mit den Formen des Erinnerns als mit den historischen Fakten des Holocausts." Am Wochenende lud Rohr deutsche und amerikanische Wissenschaftler und Künstler nach Hamburg ein. Auf der Konferenz
The Holocaust, Art and Taboo
diskutierten sie darüber, wie weit Künstler beim Umgang mit dem Holocaust gehen dürfen – und warum die Tabubrüche des sogenannten
Genocide Pop
helfen können.
"Meine Satire ist Notwehr", sagte die Künstlerin Anna Adam auf der Konferenz. 1963 wurde Adam als Kind von Holocaust-Überlebenden geboren und ist eine von wenigen Deutschen, die sich auf provozierende Weise mit dem Völkermord an den europäischen Juden auseinandersetzen. Das Gros der Künstler, die
Genocide Pop
machen, stammt aus den USA.
Anna Adam löste vor einigen Jahren mit ihrer Installation
Feinkost Adam
eine kleine Kontroverse aus. Die Ausstellung zeigte einen ironisierten, jüdischen Tante-Emma-Laden, mit einem Sortiment aus Wärmekissen mit aufgenähtem Davidstern oder Plüsch-Schweinchen (die, so erklärte das Informationsschreiben zur Ausstellung, von Juden ja nicht zu befürchten hätten, verspeist zu werden). Joel Berger, der Sprecher der Rabbinerkonferenz Deutschland, warf der Künstlerin daraufhin Judenhetze und Antisemitismus vor.
"Mich macht die Erinnerungskultur in Deutschland und die pauschale Demut, die Juden entgegengebracht wird, wütend", sagte Anna Adam auf der Konferenz. "Ich mache mich nicht über den Holocaust oder das jüdische Leben lustig, sondern über die Unfähigkeit, mit uns Juden im Alltag normal umzugehen."
Davidstern, Hakenkreuz und Hitlerbart sind Zeichen, die überall auf der Welt verstanden werden – und die starkes Interesse und klare Reaktionen hervorrufen. "Der Genozid an den Juden ist zu einer globalen Metapher für das Böse geworden", sagte Susanne Rohr, "die Ikonographie des Holocaust wird mittlerweile universell verstanden."
Das macht den Holocaust zu einem populären Thema für alle, die damit Geld verdienen wollen. So unterschiedliche Filme wie Steven Spielbergs
Schindlers Liste
, Roberto Benignis
Das Leben ist schön
oder Bernd Eichingers
Der Untergang
wurden zu Kassenschlagern. Auch Buchverlage und Redaktionen wissen: "Holocaust sells".
Mitte der 90er Jahre veröffentlichte der Schriftsteller Benjamin Wilkomirski eine "Autobiographie", in der er seine Kindheitserlebnisse in Auschwitz schilderte. Doch das Buch war eine Fälschung. "Holocaust-Travestie" nannte das Daniel Ganzfried, der die Fälschung aufdeckte. Andere Kritiker sprachen von "Trauma-Neid".
Bruno Doesseker, so Wilkomirskis eigentlicher Name, litt zwar unter einer unglücklichen Kindheit, war aber nie Holocaust-Opfer. In seiner Literatur lieh er sich den grausamen Schrecken der Konzentrationslager aus – und damit den Respekt der Literaturkritiker und die Ehrfurcht seiner Leser.
An dieser Ehrfucht setzen junge Künstler wie Zbigniew Libera mit seinem Lego-KZ, oder Tom Sachs mit dem Giftgas-Geschenkset an. Die Erinnerungskonvention des Zuschauers sollen herausgefordert werden, der Betrachter vom sicheren Terrain der Guido-Knopp-Doku aufs moralische Glatteis geholt werden. Und wird so gezwungen, neu über den Holocaust nachzudenken.
Deshalb sei der Tabubruch im
Genocide Pop
auch kein Selbstzweck und die Respektlosigkeit keine Verharmlosung der Nazi-Verbrechen, so Melvin James Bukiet. "Sich dem Grauen humorvoll zu nähern ist nicht tabu", sagte der Autor. "In der Kunst zu schocken, um Gefühle zu wecken, ist nicht tabu. Sechs Millionen Menschen umzubringen – das war tabu."
25 /
2008
ZEIT online