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Ich will nur die Roten!

Es gibt jemanden, der kauft Gummibären im Großpack, sortiert den Inhalt nach Farbe und verschickt ihn dann an Leute, die so etwas im Netz bestellt haben. Ehrlich! Wie's funktioniert, erklärt

Ninja Helmling

Vor einigen Jahren herrschten noch klare Verhältnisse, wenn man Müsli kaufen wollte. Im Regal des Supermarkts gab es ein paar Dutzend Sorten von ein paar Herstellern. Es gab kleine Packungen für den Single-Haushalt und die Riesenbeutel für den Familienvorrat. Sorten mit Früchten und ohne. Man musste sich entscheiden zwischen Knuspermischungen und Schokoflakes. 

Heute ist alles etwas unübersichtlicher geworden, denn seit einem Jahr gibt es Müsli nicht nur im Supermarkt und Reformhaus, sondern auch im Internet. Auf mymuesli.com .

Das Internet stellt einige betriebswirtschaftliche Konstanten in Frage. Es gibt zum Beispiel keine begrenzten Regalplätze, um Produkte anzubieten, keinen örtlich begrenzten Kreis potenzieller Käufer. Das Angebot muss deshalb nicht mehr massentauglich sein. Es gibt nicht nur Rosinen-Hasser und Rosinen-Liebhaber, sondern tausende Variationen dazwischen.

Konsum 2.0: Was gibt es wo?

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Sollen es Rosinen sein? Und wenn ja, wie viele? Und welche? Ob 0, 35, 50 oder 500 Gramm Rosinen, blau oder grün, aus der Edelweintraube oder mit Schokolade überzogen – die Entscheidung trifft jeder für sich, am Bildschirm. Aus etwa 75 verschiedenen Zutaten kann der Kunde sich sein Traum-Müsli zusammenklicken. Einige Tage später liegt dann ein Päckchen mit der gewählten Mischung im Briefkasten.

Max Wittrock, Philipp Kraiss und Hubertus Bessau haben den virtuellen Müsli-Mischer zu ihrem Geschäft gemacht. Die Idee hatten sie bereits 2005, das Unternehmen Mymuesli gründeten sie 2007 in Passau.

Anfangs mischte der ehemalige BWL-Student Kraiss die Müslis noch selbst, inzwischen haben diese Arbeit ein Produktionsleiter und gut 30 Mitarbeiter übernommen.

Das Geschäft läuft gut, von Beginn an schrieben die Jungunternehmer schwarze Zahlen. Und das Sortiment wird stetig erweitert. Kürzlich kamen Karottenstückchen dazu, passend zum Osterfest.

Bisher beschränkte sich die Befriedigung individueller Konsumbedürfnisse auf selbst gestaltete Tapeten, T-Shirts, Tassen, Kugelschreiber. Dass man dieses Konzept auf Lebensmittel ausdehen kann, haben mittlerweile auch andere erkannt. Mymuesli ist Vorbild für eine neue Geschäftsidee im Netz: Das personalisierte Essen und Trinken, die individuelle Internet-Speisekarte.

Jeden Monat gehen ähnliche Seiten online : Im Januar starteten cocktailbude.de und candymix.de , im Februar folgten mycornflakes.com und yourtee.d e , im März sonntagmorgen.com , demnächst startet mit allmytea.de ein weiteres Tee-Portal.

"Mymuesli hat den Markt geöfnnet. Sie haben bewiesen, dass es funktioniert", sagt Till Achinger, der mit Tamer El-Hawari Mitte März das Portal sonntagmorgen.com gegründet hat, in dem man sich Kaffeesorten nach den eigenen Vorlieben zusammenklicken kann.

Mit vielen verschiedenen Nischenprodukten kann man möglicherweise genauso viel Geld verdienen wie mit wenigen Bestsellern. Die typische Verkaufskurve sieht dann aus wie ein Rattenschwanz, das hat der Wired -Chefredakteur Chris Anderson in seinem Buch " The Long Tail " beschrieben. Jedes noch so spezielle Angebot findet einen Abnehmer.

Sascha Fiene von candymix.de kann das bestätigen: "Am häufigsten werden wir über den Suchbegriff ‚Rote Gummibärchen’ bei Google gefunden". Inspiriert von Mymüsli, betreibt Fiene seit gut drei Monaten nebenberuflich ein Süßigkeiten-Portal, auf dem man sich große Mengen seiner liebsten Gummibärchensorten bestellen kann. Wer von einer riesigen Tüte voller roter oder weißer Gummibären träumt, findet hier seine Erfüllung. Produktion und Einkauf folgen einem simplen Konzept: Fiene kauft Gummibärchentüten ein, und sortiert sie dann auf Bestellung um.

"Es ist irre, was die Leute dafür ausgeben", sagt Fiene. Von Gewinnen will er aber noch nicht sprechen. Für dieses Jahr rechnet er noch mit einem Verlust. Und ein Problem hat er bisher noch nicht gelöst: "Was mache ich mit den ganzen grünen und gelben Gummibärchen?"

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19 / 2008
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