Waren
Straftat Zivilcourage
Stefan G. hat Nazis daran gehindert Wahlwerbung zu machen. Ist das kriminell? Nein, sagt Hannes-Caspar Petzold
Zivilcourage ist teuer: 2600 Euro müssen der Landschaftsgärtner Stefan G. und zwei seiner Mitarbeiter für ihr beherztes Eingreifen zahlen. "Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße", so der offizielle Wortlaut.
Beleidigung, Sachbeschädigung und Nötigung warf man den drei Männern vor . Sie hatten vor einem Jahr versucht, die "Wahlkampfaktion" des NPD-Mannes Raimund Borrmann zu verhindern. Borrmann, der mittlerweile für die Rechtsextremen im Schweriner Landtag sitzt, hatte sich damals zwei Tage vor der Wahl vor einer Realschule der Stadt Waren aufgestellt und Propagandamaterial an Kinder verteilt: Flugblätter, Bonbons in NPD-Papier und die berüchtigte Schulhof-CD . Die drei Männer hatten ihm das Zeug aus der Hand gerissen und in den Müll geworfen
Der Prozess gegen G. und seine Mitarbeiter wurde von Diskussionen, Informationsveranstaltungen und den üblichen Kontroversen begleitet. Schließlich hört man aus allen etablierten Parteien ständig die Aufforderung "keinesfalls wegzuschauen". Jetzt hat jemand hingeschaut, sich einer Aktion von Rechtsextremisten entgegengestellt, das viel gefragte "Gesicht gezeigt". Und genau da hinein hat ihm die Justiz gespuckt, die diese Demonstration von Charakterstärke zur Straftat erklärt. So sei schon ein Umstellen des NPD-Mannes ausreichend für eine Strafanzeige wegen "Nötigung" gewesen. Ein willkommener Anlass für den populistischen "Philosophen" Borrmann, darauf hinzuweisen, dass dem Treiben der "gewalttätigen Linken Einhalt zu gebieten sei."
Das Signal, das von diesem Urteil ausgeht, ist verheerend: Wer sich zu Wort meldet, wer handelt, macht sich strafbar. Deutlich wird das am geknickten Kommentar G.s: "In Zukunft werde ich in solchen Fällen den Polizeinotruf holen." Nur hätte in diesem Fall auch die Polizei nichts ausrichten können – die NPD ist eine anerkannte Partei. Trotzdem urteilt das Amtsgericht Waren: "Das Gewaltmonopol muss ja wohl beim Staat bleiben."
Wie der Staat mit diesem Gewaltmonopol umgeht, lässt sich am besten bei kreativen Protesten gegen Naziaufmärsche beobachten: Wasserwerfer, Pfefferspray und Tränengas sind die staatliche Antwort auf zivilgesellschaftliches Engagement. Ein Großaufgebot an Polizeikräften sichert die "Freiheitsrechte" Rechtsextremer. Obwohl diese das Ziel haben, nach einer Machtübernahme eben diese freiheitlichen Grundrechte zu beseitigen
Fazit? Augen schließen, das Gesicht abwenden. Dass die "demokratischen Parteien" die Verurteilten bei der Zahlung der Geldbuße unterstützen wollen, erinnert mehr an einen Ablassbrief, als an ernst gemeinte Hilfe. Ein gutes Gewissen ist für einige käuflich – eine antifaschistische Gesellschaft nicht.
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40 /
2007
ZEIT online