Datenschutz

Spock weiß alles

Spock.com ist eine Suchmaschiene für Personendaten. Gibt man einen Namen ein, spuckt sie ein Profil aus. Das ist nichts, worüber wir uns freuen sollten, meint der Datenschützer Markus Beckedahl.

Fragen von Chris Köver

Das Start-Up-Unternehmen Spock betreibt seit kurzem eine Menschen-Suchmaschine. Die Daten für die Treffer beschafft sich die Suchmaschine, indem sie Wikipedia und soziale Netzwerke wie MySpace , Xing oder StudiVZ durchstöbert. Diese Daten verknüpft sie dann zu einem Nutzerprofil. Datenschützer sind entgeistert.

Was ist denn so schlimm an Spock , Herr Beckedahl? Das sind doch nur Daten, die ohnehin schon im Netz stehen – weil ich sie freiwillig dort veröffentlicht habe.

Ja, aber durch die Anhäufung bekommen sie eine neue Qualität. Auch wenn diese Informationen schon über normale Suchmaschinen zu finden sind, muss man sie sich im Moment noch mühsam zusammensuchen. Mit Spock wird das einfacher. Ein zukünftiger Personalchef, der sich über einen Bewerber informieren will, hat jetzt viel leichter Zugriff auf dessen Netzvergangenheit. Etwa auf die Partybilder, die der Bewerber vor zehn Jahren auf Flickr hochgeladen hat.
Spock ist noch aus zwei weiteren Gründen bedenklich: Die Informationen, die die Suchmaschine zusammenträgt, hat man bei bestimmten Webseiten, etwa Facebook abgelegt. Mit diesen Anbietern hat man Datenschutzabkommen geschlossen (Anm. d. Red: Indem man den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestimmt hat). Mit Spock hat man keinerlei Abkommen.
Der dritte besorgniserregende Punkt ist, dass jeder Internetnutzer einem Profil auf Spock Schlagwörter zuordnen kann, zum Beispiel Mörder oder Kinderschänder. Auch Fotos können zugeordnet werden. Unter Umständen weiß ein Mensch gar nicht, dass es ein Profil von ihm gibt. Aber jeder, der sein Profil liest, sieht, dass er angeblich ein Mörder ist.

Lädt der Dienst zur Diffamierung ein?

Er vereinfacht die Diffamierung.

Welche weiteren Gefahren verbergen sich hinter so einer Suchmaschine?

Wenn viele Informationen über eine Person in einer Quelle gebündelt sind, wie bei Spock , dann ist es für Identitätsdiebe reizvoll und einfach, diese Identität zu übernehmen. Jemand, der meine Hobbys und meinen Geburtstag kennt, kann zum Beispiel unter meinem Namen Stellen anrufen und an weitere Informationen über mich kommen.
Wenn ein Blogger zum Beispiel schreibt, er sei gerade im Urlaub und vorher hat er schon seine Wohngegend beschrieben, kann jeder Leser kombinieren, wo eine Wohnung zum Einbrechen frei ist.
Spock übernimmt in solchen Fällen keine Verantwortung. In den allgemeinen Nutzungsbedingungen steht, dass so etwas Schuld des Nutzers sei, weil er zu viele Informationen über sich ins Netz gestellt habe. Nach deutschem Recht wäre dieser Service nicht legal, aber im amerikanischen Recht gibt es keine entsprechenden Datenschutzbestimmungen.

Angeblich kann man sein Profil auf Bitte ganz leicht aus der Datenbank von Spock.com löschen lassen.

Spock hat schon Millionen Profile angelegt. Wenn nur ein paar Tausend dieser Menschen raus wollen, ist das ist schon ein Bearbeitungsproblem. Ich vermute, dass sie gar nicht die Ressourcen dafür haben. Außerdem muss eine Person erst mal wissen, dass es ein Profil von ihr gibt, um es löschen zu lassen.

Hat so eine Suchmaschine auch Vorteile?

Wenn man nur von aufgeklärten Nutzern ausgeht, die sehr bewusst mit den Daten umgehen, die sie über sich preisgeben, dann wäre das ein nützlicher Service. Aber dieser Idealnutzer ist in der Realität kaum vorhanden.

Glauben sie, dass Internetnutzer jetzt vorsichtiger werden?

Derzeit fehlt sehr vielen Menschen noch die Medienkompetenz. Sie wissen nicht, dass die Bilder, die sie heute nach einer durchzechten Party auf StudiVZ hochladen, ihnen in zehn Jahren schaden könnten. Aber Spock bekommt in Deutschland zurzeit sehr viel Aufmerksamkeit. Wenn Menschen erst mal hören, dass alle Informationen über ihre Netzvergangenheit an einer Stelle gebündelt werden, werden sie in Zukunft vielleicht vorsichtiger.

Es gab schon vor Spock andere Suchmaschinen, die ähnlich arbeiten, etwa Wink.com. Wieso gibt es jetzt so eine Aufregung über diesen Dienst?

Das liegt meiner Meinung nach zum einen daran, dass die Firma mit viel Risikokapital ausgestattet ist. Außerdem funktioniert dieser Service im Vergleich zu anderen technisch ganz gut.

Sollte ich jetzt sofort alle meine Profile auf Xing, MySpace und StudiVZ löschen?

Man sollte sich informieren, wie die Datenschutzeinstellungen auf den Webseiten funktionieren und sie nutzen. Bei Xing und anderen Services kann man angeben, dass die Daten nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen . Das ist eine Möglichkeit, um die eigene Datensouveränität zu erhöhen. Außerdem sollte man mal den eigenen Namen bei verschiedenen Suchmaschinen eingeben, um sich ein Bild davon zu machen, welche Informationen ein zukünftiger Personalchef über einen finden würde.

Haben sie noch Profile bei MySpace oder StudiVZ ?

Ich sehe große Chancen in sozialen Netzwerken – wenn man bewusst damit umgeht, was man dort über sich eingibt. Ich selbst nutze verschieden Netzwerke unter Pseudonym. Oft geht es ja nicht um meine Person, sondern um bestimmte Interessen. Ich habe auch ein Xing -Profil und bin mit dem Service sehr zufrieden. Allerdings habe ich die Datenschutzeinstellungen sehr streng eingestellt. Ich bin generell sehr vorsichtig, was Daten über mein Privatleben betrifft.

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99 / 2007
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