Homosexualität
"Ich bin müde"
Homosexuelle in Afrika erleiden täglich Angriffe, kleine oder große. Peter, Charles, Luzau und Fabian berichten von einem Alltag, der bitter macht.
Sie sperrten ihn ein. Sie misshandelten ihn. Sechs Monate lang saß Luzau in Kinshasa im Gefängnis. Weil er homosexuell ist. „Im Kongo bist du als Schwuler vogelfrei“, sagt der 38-jährige Menschrechtsaktivist. Nach seiner Freilassung verließ Luzau den Kongo, flüchtete ins benachbarte Uganda und beantragte dort Asyl. „Als den Behörden klar wurde, dass ich schwul bin, forderten sie mich auf, Uganda zu verlassen.“ Heute lebt Luzau in der Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. Er mag die Stadt. „Hier tut sich gerade viel für Schwule“, sagt er.
In den meisten afrikanischen Ländern werden Schwule und Lesben vom Staat verfolgt: In einigen islamischen Bundesstaaten in Nigeria etwa steht auf Homosexualität der Tod durch Steinigung. Ein neues Gesetz droht jedem mit Gefängnis, der Schwulen und Lesben hilft. Der nigerianische Präsident findet Homosexualität „unbiblisch, unnatürlich und unafrikanisch“ – eine typische Haltung in Afrika: Der afrikanische Teil der anglikanischen Kirche ging gegen die Mutterkirche auf die Barrikaden, als in den USA ein schwuler Bischof geweiht wurde. In Kamerun veröffentlichte eine Zeitung die Namen von 50 vermeintlich schwulen hochrangigen Politikern und Funktionären und forderte ihre strafrechtliche Verfolgung, weil Homosexualität in Kamerun verboten ist. In Sierra Leone wurde eine Aktivistin im Büro der von ihr gegründeten „Lesbian and Gay Association“ ermordet. Als einziges Land auf dem Kontinent hat Südafrika gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert.
Auch in Kenia ist Homosexualität unter Männern offiziell verboten – gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Frauen werden im Gesetz nicht erwähnt. Die aus der Kolonialzeit stammenden Paragraphen sehen Gefängnisstrafen von bis zu 14 Jahren vor – sie sind ein spätes Erbe der Christianisierung des Kontinents. „Trotzdem wird in Kenia niemand eingesperrt, wenn er schwul ist“, sagt Angus Parkinson vom Liverpool VCT, einem Beratungszentrum in Nairobi. „Kenia entwickelt sich beim Thema Homo-Rechte in eine andere Richtung als seine Nachbarländer.“
Noch im Mai soll es in Nairobi zum zweiten Mal eine öffentliche Party für Homosexuelle geben – eine Sensation in Ostafrika. Derzeit gibt es in Nairobi acht Organisationen, die für die Legalisierung von Homosexualität werben, Schwule und Lesben beraten und über Aids und HIV aufklären. Die staatliche HIV/Aids-Kampagne richtet sich seit vergangenem Jahr ausdrücklich auch an Homosexuelle. Im Fernsehen laufen US-Serien wie «Will und Grace», in denen Schwule die Hauptfiguren sind. Zeitungen veröffentlichen erstmals Artikel über Homosexuelle – die meisten davon sind nicht unbedingt freundlich. Dennoch hofft Mirie: „Je mehr über uns geredet wird, desto normaler wird es. “ Noch aber ist Nairobi nicht Berlin. Es gibt keine Kneipen, Bars oder Clubs, wo die Regenbogenfahne demonstrativ über der Tür hängt.
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2006
ZEIT online