DESERTEURE
Schuldig
Weil er nicht ein zweites Mal in den Irak wollte, ist ein US-Soldat von einem Militärgericht in Deutschland verurteilt worden. Was geht uns das an? Fragen an Rudi Friedrich vom Verein Connection, der sich für Kriegsdienstverweigerer einsetzt.
Ein amerikanischer Soldat, der in einer deutschen Kaserne der US-Armee in Schweinfurt stationiert war, ist heute vor einem Militärgericht in Würzburg schuldig gesprochen worden, weil er sich geweigert hatte, in den Irakkrieg zu ziehen. Seit dem Herbst des vergangenen Jahres hat er in einem Militärgefängnis in Mannheim gesessen, nun wurde er zu acht Monaten Haft verurteilt.
Der Offenbacher Verein Connection setzt sich für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure weltweit ein und protestiert gemeinsam mit anderen Gruppen und Verbänden gegen den Prozess in Würzburg.
Warum? Darüber haben wir mit Rudi Friedrich vom Connection e.V. gesprochen.
Wer ist Agustín Aguayo?
Agustín Aguayo ist ein Soldat der US-Armee, der vor drei Jahren einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt hat. In den USA ist es so, dass diese Anträge vom Militär selbst überprüft werden. Obwohl seine direkten Vorgesetzten sich für ihn verbürgt haben, wurde sein Antrag abgelehnt und Agustín Aguayo wurde als Sanitäter in den Irakkrieg geschickt. Die Zeit dort hat ihn darin bestärkt, dass er nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen will.
Warum steht er jetzt vor Gericht?
Nach seiner Rückkehr aus dem Irak hat er weiter versucht, sein Verfahren zur Kriegsdienstverweigerung voranzutreiben, doch ohne Erfolg. Als im September vergangenen Jahres seine Einheit erneut in den Irak verlegt werden sollte, hat er sich absichtlich einen Tag zu spät zum Dienst gemeldet. Weil die Militärpolizei ihn daraufhin unter Zwang in den Irak schicken wollte, ist er geflüchtet. Drei Wochen später hat er sich in den USA gestellt und ist jetzt in Würzburg wegen Desertion schuldig gesprochen worden. Ihm droht eine Haftstrafe von sieben Jahren.
Hat er denn nicht geahnt, dass er als Soldat irgendwann einmal in den Krieg ziehen müsste?
Jeder Soldat muss das von Anfang an wissen, und er hat es auch gewusst. Er wollte sein Land verteidigen, hat aber während seiner Militärzeit immer stärkere Zweifel gehabt. Im Irak ist er dann zu der Überzeugung gekommen: Da gehe ich auf keinen Fall noch einmal hin. Die Verantwortung für den Hass, der durch den Krieg entsteht, und für die Menschenleben, die dort geopfert werden, wollte er nicht mehr mittragen. Selbst als Sanitäter nicht.
Machen wir es uns nicht zu leicht, wenn wir die deutschen Maßstäbe auf die US-Armee anwenden? Die USA haben nun einmal schärfere Gesetze, was die Verweigerung des Kriegsdienstes betrifft.
Es gibt Maßstäbe, die von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen gesetzt wurden. Und selbst diese werden von den USA verletzt. Die UN verlangen zum Beispiel, dass die Anträge von einem unabhängigen Gremium geprüft werden – ein Militärgremium, wie es im US-Militär üblich ist, ist in dieser Frage nun einmal nicht unabhängig.
Deswegen hätte die Bundesregierung selbstverständlich die Möglichkeit, auf der Einhaltung internationaler Kriterien zu beharren und zu sagen: So könnt ihr das nicht machen. Aber die Bundesregierung will nicht.
Haben Sie jemals persönlich mit Agustín Aguayo gesprochen?
Ja.
Was ist er für ein Mensch?
Er ist sehr ruhig, sehr gefasst und er ist sich sehr sicher in seiner Entscheidung.
Sein Fall ist ein Einzelfall. Warum setzen Sie sich für ihn ein?
Jeder Einzelfall ist wichtig. Es ist eine schlimme Form der Repression, dass Kriegsdienstverweigerer überhaupt in das Einsatzgebiet geschickt werden. Wir haben den Eindruck, dass hier ein Exempel statuiert wird.
Inzwischen gibt es auch in den USA immer weniger Zustimmung zum Krieg im Irak, und das wirkt sich auch auf die Truppe aus. Die Armee hat immer größere Schwierigkeiten, ausreichend Soldaten zu finden. In den vergangenen Wochen haben US-Soldaten auch hier in Deutschland vermehrt bei den Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerer angefragt. Vor diesem Hintergrund will das Militär anscheinend Grenzen aufzeigen.
Ist diese missliche Lage, in der sich das US-Militär nun befindet, für Sie eine willkommene Gelegenheit, Ihre Ziele in der Öffentlichkeit zu vertreten?
Das ist ein Effekt, der dadurch entsteht. Aber Öffentlichkeit für dieses Thema zu schaffen, ist auch genau das, was Agustín Aguayo selbst will, wir haben das ausführlich mit ihm diskutiert. Einerseits schützt ihn die Öffentlichkeitsarbeit – das zeigen auch andere Fälle aus der Vergangenheit, in denen Kriegsdienstverweigerer am Ende nicht so hart bestraft wurden. Und andererseits gibt ihm die öffentliche Unterstützung Kraft. Er hat tausende Postkarten im Gefängnis bekommen.
Die USA können auf dem Gelände ihrer Kasernen in Deutschland tun und lassen, was sie wollen. Was haben wir damit zu tun?
Wenn wir uns nicht dafür interessieren, was dort geschieht, ist das ein Zeichen dafür, dass wir die Kriegspolitik der USA unterstützen und dulden. Es geht nicht nur um die Verfahren gegen die Kriegsdienstverweigerer hier in Deutschland. Auch die Flüge, die von deutschen Flughäfen in den Irak durchgeführt werden, sind so ein Beispiel. Und oft werden die US-Kasernen von Deutschen bewacht. Es gibt vielfältige Unterstützung von deutscher Seite, und das wollen wir beenden.
Sie werfen der US-Armee in einem Schreiben an die Bundesregierung vor, „auf deutschem und europäischem Boden“ Menschenrechte zu verletzen. Was meinen Sie damit?
Es gab Inhaftierungen von Nicht-Amerikanern, die teilweise nach Guantánamo gebracht wurden. Das ist unter anderem damit gemeint.
Wichtig:
Forum
- Warum soll uns das Schicksal von Agustín Aguayo kümmern?
Mein Krieg
- Dani Rudstein zog mit der israelischen Armee in den Libanonkrieg. Hier beschreibt er die ersten Tage seines Einsatzes
50 Jahre Hartkeks
- Schwerpunkt zum Jubiläum der Wehrpflicht in Deutschland
Nach Hause
- Zuender. Das Netzmagazin
10 /
2007
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