Interview

Zivilisiert Euch selbst!

Kristian Lukic entwickelt Computerspiele, die den Markt und Wirtschaft kritisieren. Davon wird es bald noch mehr geben, glaubt er. Ein Interview

Von Margarita Tsomou

Warum benutzt ihr gerade dieses Medium?

Wir spielen alle selbst. Irgendwann merkten wir, dass diese Spiele nicht nur Geschichten erzählen, sondern auch politische und ideologische Botschaften übertragen. Sie verfälschen die Geschichte, sind rassistisch oder neofaschistisch. Deswegen wollten wir uns einmischen.

Eines eurer bekanntesten Spiele ist Civilization IV – Age of Empire , eine Adaption des Strategie-Spiels Civilization . Wieso habt ihr gerade dieses Spiel verändert?

Das Ziel und der Spielablauf sind die gleichen wie beim Original: Es geht darum, die Welt zu erobern. Nur ist die Welt in unserem Civilization die des IT-Marktes und der IT-Unternehmen. Statt wie ursprünglich Nationalstaaten zu erschaffen, baut der Nutzer multinationale IT-Unternehmen auf. Statt einem Heer von Soldaten muss er ein Heer von Managern, Rechtsanwälten und CEOs errichten. Außerdem wollten wir auf Fragen von geistigem Eigentum aufmerksam machen. Die Civilization –Entwickler haben das Wort als Markenzeichen eingetragen und urheberrechtlich geschützt. Wir haben es quasi zurückerobert.

Sich ältere Spiele anzueignen und zu verändern, ist beliebt. Aber wäre es nicht sinnvoller, eigene alternative Spiele zu entwickeln anstatt bestehende zu verändern?

Das ist ist eine typische Hackerpraxis, das ist Ende der Achtziger entstand. Die Spieler besaßen damals nicht die Werkzeuge, um eigene Spiele zu entwickeln. Deswegen haben viele zu schon fertigen, fremden Engines gegriffen. Die Art und Weise, wie solche Engines genutzt werden, ist mal gut, mal schlecht. Aber wenn wir eine Reinheit der Spielherstellung einforderten, würde es bald weniger alternative Spiele geben als bisher. Mittlerweile gibt es aber viel Bewegung im Bereich der freien Software, daher wird die Zahl der kollektiv entwickelten Spiele zunehmen.

Wie stehst du zur Gewinner-Verlierer-Struktur, auf der die meisten Computerspiele aufbauen?

Das Wettbewerbsprinzip ist Teil der menschlichen Natur. Die meisten Videospiele der Industrie gehen aber von einem egoistischen Subjekt aus. In ihnen ist die Gesellschaft ein gefährlicher Ort, an dem das Individuum ums Überleben kämpfen oder wenigstens einen ökonomischen Vorteil gegenüber den Anderen erlangen muss.

Seit etwa Ende der Neunziger gibt es immer mehr so genannte politische Computerspiele.

Das ist ein Zeichen dafür, dass das Medium reifer geworden ist. Für Spieler und Spieleentwickler sind Spiele inzwischen auch eine Plattform, um sich auszudrücken. Den Begriff „politische Computerspiele“ finde ich aber problematisch. Er legt die Spiele auf ein bestimmtes Profil fest.

Wo vertreibt ihr eure Spiele?

Alternative Computerspiele haben kaum Chancen auf dem etablierten Markt. Oft wollten sie dort aber gar nicht mitspielen. Wir vertreiben die Spiele vor allem über das Internet – Peer-to-peer-Netzwerke , Webseiten und Foren.

Euer Spiel Civlization IV wird vor allem in Museen und Galerien gezeigt.

Weil die Industrie an unseren Spielen nicht interessiert ist. Aber auch der Kunstmarkt ist nicht wirklich an uns interessiert, weil er mit unseren Spielen nichts verdienen kann. Sie können umsonst im Netz heruntergeladen werden.

Was müssten die unabhängigen Spieleentwickler tun, um mehr Menschen zu erreichen?

Unabhängige Entwickler gibt es jede Menge. Viele von ihnen träumen leider davon, bei Electronics Arts oder Ubisoft zu landen. Wichtig wäre, die Art und Weise zu ändern, wie Videospiele wahrgenommen werden.

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32 / 2006
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