Feminismus-Debatte

Die Männer sind schuld!

Selbst wenn Frauen Eva Hermans Forderungen ernst nehmen wollten: Sie scheitern an den Männern. Die wollen nämlich gar keine Heimchen am Herd. Ein offener Brief von Sarah Benecke.


Liebe Eva,

heute habe ich mich mit einem großen Pott Kaffee an meinen Schreibtisch gesetzt und versucht, deine Forderungen ernst zu nehmen. Ich habe den Gedanken ausgeblendet, dass sie nur PR für dein neues Buch seien könnten, ich habe die Feministinnen außer Acht gelassen und auch meine persönlichen Karrierebestrebungen. Du sagtest, wir Frauen sollten zu Hause bleiben, kochen, Kinder kriegen und die Klappe halten. Das ist es, was du willst: Ein Revival der alten Weiblichkeit.

Dass sämtliche TV-Magazine starke Frauen – Politikerinnen, Frauenrechtlerinnen – vor die Kameras zerrten und sie gegen dich wettern ließen, war klar. Nur die Männer, die hat keiner gefragt. Dabei spielen sie bei dieser Debatte doch eine ebenso wichtige Rolle. Denn: Was ist, wenn der Mann selber zu Hause bleiben will? Wenn er Spaß daran hat, zu kochen und seiner Frau dabei zuzuhören, wie sie von ihrem Arbeitstag erzählt?

Ich wollte es wissen und bin auf die Straße gegangen, um die jungen Männer meiner Generation anzuhören. Fast konnte ich hören, wie bei jeder ihrer Äußerungen ein Stückchen deiner Illusion von der perfekten Rollenaufteilung abbröckelte. Knack.

Nicht nur die Frauen, auch die Männer haben sich verändert, liebe Eva. Schuld daran sind Frauen wie du. Mütter, die ihre Söhne zu Toleranz und Gleichberechtigung erzogen, ihren Töchtern Durchsetzungsstärke und Karrierebewusstsein beigebracht haben. Ihr habt die alten Rollenbilder aufgebrochen. Dein Leben ist ein Musterbeispiel dafür.

Kein Wunder also, dass die jungen Männer heute gar keine Lust mehr darauf haben, große Familienoberhäupter mit alleiniger Verantwortung zu sein. Sie wünschen sich selbständige Frauen mit eigenem Job, die finanziell auch unabhängig sein können. Partnerinnen, die nicht nur unterstützt werden müssen, sondern selber in der Lage sind, zu unterstützen.

Wenn die Frau eine Babypause macht – gut. Aber viele Männer möchten das mittlerweile auch: „Klar, ein halbes Jahr Erziehungsurlaub kann ich mir super vorstellen“. Vielleicht liegt das auch daran, dass sie nicht mehr gezwungen sind, ständig stark und mutig auszusehen, weil Macho-Gehabe bei selbstbewussten Frauen ohnehin nicht ankommt.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ihnen das Arbeitsleben nicht mehr reicht. Sie wollen mit dabei sein, wenn ihr Kind die ersten Schritte tut, wollen ab und zu kochen und sogar shoppen gehen. Genau wie es den meisten Frauen nicht reicht, ihr ganzes Leben dem Haushalt zu widmen. Zugegeben, die Zahl der Hausmänner ist immer noch verschwindend gering. Und in gewissem Maße hast du Recht, wenn du sagst, dass Frauen Kinder bekommen, stillen und zu Hause bleiben sollten – mit ersteren beiden wären ihre Männer nun wirklich überfordert. Viele Frauen tun das auch. Aber sie verstehen es nicht als Lebensaufgabe.

Bald wird sich nicht mehr nur die Frage stellen, wie Frauen Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen sollen. Sondern auch, wie die Männer es tun. Es wird keine Rollenaufteilung mehr geben, die zwischen Haushalt und Beruf abgrenzt - beide Partner werden von Zeit zu Zeit beides tun. Mit geteilter Belastung wird auch die Entscheidung, Kinder zu bekommen, leichter. Nicht dein Hausfrauen-Modell wird Deutschland vor Kinderlosigkeit bewahren, sondern ein weiterer Schritt der Emanzipation.

Versteh' mich nicht falsch: Sollte eine Frau Spaß daran haben, den ganzen Tag Blumen zu arrangieren und Apfelkuchen zu backen, ist das gut so. Nur gibt es wohl wenige Exemplare meiner Generation, die das als erfüllende Lebensbestimmung wahrnehmen. Und noch weniger Männer, die eine solche Frau nicht langweilig finden.

Fast tut es mir leid, Eva. Aber du hast dein eigenes Ideal zerstört, bevor du es aufbauen konntest. Denn das, was du verlangst, liegt nicht nur in unserer Macht. Selbst wenn die jungen Frauen dir folgen wollten, sie könnten es nicht. Ihre Männer wären dagegen.

Viele Grüße, Sarah

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32 / 2006
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