Sprachgefühl

Augenwischerei

Manche Menschen wollen sich mit Worten vom Verdacht des Rassismus freikaufen. Doch die Fakten ändern sich nicht, nur weil man sie anders benennt

Die Kolumne von Selim Özdogan

Die Idee geht wohl auf Baudrillard zurück, den ich selber nicht gelesen habe. Er behauptet, dass Disneyland auch deswegen als etwas bewusst Imaginäres existiert, um behaupten zu können, der Rest der Vereinigten Staaten wäre real. So wie der Watergateskandal nur dazu benutzt wurde, den Leuten glauben zu machen, solche Korruption wäre ein Einzelfall und würde aufgedeckt werden. Man kann von solchen Theorien halten, was man will.

Dummy ist ein Magazin, das sich in jeder Ausgabe einem anderen Thema widmet, Revolution, Glauben, Sex, Frauen, Türken, Juden, Fußball, Liebe, Tiere, Spaß, Verbrechen und noch einige mehr.

Das nächste Heft sollte sich mit Schwarzen beschäftigen und Neger heißen. Dass das Diskussionen geben würde, hat man wohl geahnt, aber nicht, dass der Druck so groß werden würde, dass man sich entscheidet, das Heft doch noch anders zu nennen.
 
Doch man kann noch so neue und gute Begriffe finden, die nicht im Verdacht stehen rassistische Assoziationen hervorzurufen, an einem vorhandenen Rassismus ändert das nichts. Die Fakten ändern sich nicht, wenn man sie anders benennt. Ein Wort wie Maximalpigmentierter will einen freikaufen vom Verdacht des Rassismus, so wie Watergate die Politik freikaufen möchte vom Verdacht der Korruption.

Schon oft habe ich mich gefragt, warum es außerhalb des Sports keine maximalpigmentierten Weltstars gibt. Im Sport ist die Sache klar, da gibt es nichts zu diskutieren, Qualität ist messbar. Die Messbarkeit geht im Kulturbereich verloren und man wird lange suchen müssen, um schwarze Prominente zu finden, deren Bekanntheitsgrad mit dem der Beatles konkurrieren kann, wahlweise auch Elvis, die Rolling Stones, Paulo Coelho, Hemingway oder was weiß denn ich. Und komm mir jetzt bitte niemand mit Bob Marley, dessen Vater weiß war oder mit irgendwelchen blinden Sängern, die eher unter Musikern groß sind, als beim Publikum und deren kulturhistorische Bedeutung im Auge der Öffentlichkeit eher gering ist.

Rassismus existiert. Bist du zu dunkel, gibt es im Kulturbetrieb keinen Weg nach ganz oben. Die Menschen wollen so viel schwarz nicht sehen, milchkaffeebraun geht noch in Ordnung.

Man kann auch anders argumentieren, das ist mir wohl klar, aber ich habe den Eindruck, diese Wortfindungsdebatten sollen eine Realität verschleiern, die dahinter liegt. Und verschleiert werden muss. So entstehen ja auch diese ganzen Unworte des Jahres. Die Tatsache, dass so viel darüber debattiert werden muss, zeigt eigentlich schon, dass man etwas zu verbergen hat.
 

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31 / 2008
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