LIEDGUT

Ohne Andreas Frege

Das bisschen Weill-Gesinge macht sich von allein, findet Talkshowbewohner Campino. Seine Rolle in der "Dreigroschenoper" sei im Vergleich zu einem Hosen-Gig "ein Spaziergang". Auf "... weil auch DU ein Arbeiter bist" lässt sich ein anderer Umgang mit dem politischen Lied beobachten

Von Boris Fust

Freilich – auch der Tastenspieler Klaus Bergmaier hat normalerweise anderes zu tun, als "Revolutions-, Frauen und ArbeiterInnenlieder" zu begleiten. Mit seiner österreichischen Doors-Coverband "The Doors Experience" tritt er beispielsweise in Zagreb auf, wo dergleichen offenbar gefragt und kulturell nicht kontaminiert ist. Für die Pressebilder zur Veröffentlichung der Liedersammlung "... weil auch DU ein Arbeiter bist" hat er sich indes in ein mäßig sitzendes Sakko gequetscht. Das soll bedeuten: Jetzt wird es ernst. Und schon geht es los: Operettenhaft stimmt Angelika Sacher "Die Gedanken sind frei" an. Das Klavier tut, was es tun muss, Frau Sacher schreitet beherzt voran im Dienst der guten Sache: "Die Internationale", "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" und das "Einheitsfrontlied" gehören zum Repertoire. Und so geht es alle paar Minuten vom amerikanischen Bürgerkrieg zur russischen Revolution zu eher allgemeineren Frauenbewegungsthematiken. Der Vortrag entbehrt dabei nie einer gewissen Tantigkeit, was aber der Reiz an dieser Liedersammlung ist: Der unbeholfene, wiewohl ehrenwerte Versuch, Arbeiter- und Revolutionslieder in die Sphäre des Hochkulturellen zu entrücken, hat etwas Tröstliches. Denn dass das Proletariat sich kulturelle Hegemonialmacht ergaunert hat, wird ja Abend für Abend mit Campino im Berliner Admiralspalast deutlich. Aber siegen darf es nicht.

Angelika Sacher & Klaus Bergmaier, "… weil auch DU ein Arbeiter bist!" (Eigenvertrieb, arbeiterinnenlieder@blackbox.net)

Auch schön:

Ohne Britney - Justin Timberlake klingt wieder nach BRAVO-Starschnitt.

Es muss lauter gehen! - Alle Tonköpfe.

Meckern über Musik - kann man im ZUENDER-Forum. Bitte hier klicken!

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin

32 / 2006
ZEIT online