Jugendliebe

Teenage Kicks

Mein erstes Mal? Das war kein Sex, sondern ein Massaker. Die ganze Geschichte von Elke, Claudia, Petra, Ingrid, Heike, Dagmar, Sabine und Sophie Marceau

Die Kolumne von Markus Kavka

In den vergangenen Tagen wurde ich durch zwei Dinge an meine zwischenmenschlichen Erfahrungen als Jugendlicher erinnert: Zum einen gibt es da diese tolle neue Album von M83 mit dem verheißungsvollen Titel Saturdays = Youth .

Zum anderen erreichte mich die Anfrage eines Autors, der ein Buch zum Thema Filmfrauen, die man einst liebte, zusammenstellt. Ich musste nicht lange überlegen, wer das in meinem Fall war: Sophie Marceau. Ihretwegen rannte ich 1981 innerhalb von zwei Wochen vier Mal ins Kino, um mir La Boum - Die Fete anzusehen. Sie war es, die ein vollkommen neues Bild von Mädchen bei mir schuf.

Denn schön war das nicht, was sich diesbezüglich in einem bayerischen Dorf zu Beginn der achtziger Jahre bot. Aber man kannte es ja nicht anders, und so ließ man sich klaglos mit Mädchen ein, deren Frisur, Klamottenstil und Musikgeschmack sehr diskussionswürdig waren.

Meine erste Freundin hieß Elke. Sie hatte herausgewachsene Dauerwellen, rötlich blond gefärbt. Ihre Lieblingshosen waren violett-schwarz-längsgestreifte Stretchjeans, sie hörte Foreigner , Journey und Saga , dazu alles aus den Charts. Eigentlich waren wir gar nicht richtig zusammen. Eine ihrer Freundinnen hatte mich gefragt, ob ich mit Elke "gehen will". Ich ließ ausrichten: "Hm, na ja, von mir aus..." und stand deswegen in den folgenden drei Wochen auf dem Pausenhof neben ihr.

Sonst war da nichts. Kein Knutschen, nicht mal Händchenhalten. Eines Tages erschien Elke nicht mehr und ließ mir durch ihre Freundin ausrichten, dass Schluss sei. Einigermaßen konsterniert erzählte ich meinen Freunden davon, die daraufhin sagten: "So ’ne Nutte!" Ich wusste mit 13 noch nicht, was eine Nutte ist, beschloss allerdings Elke zu sagen, sie wäre eine, schließlich hatten meine Freunde offenbar Ahnung von der Materie. Daraufhin nannte sie mich einen Zuhälter. Selbstredend hatte ich wieder keinen Plan, was sie mir da sagen wollte.

Als nächstes versuchte ich bei der feschen Claudia mein Glück. Sie war meine Partnerin in der Tanzschule. Auch das war früher oder später gleichbedeutend mit einem Techtelmechtel, vor allem, nachdem sie mir auch bei der Damenwahl ihre Zuneigung signalisiert hatte. Dann kam der Abschlussball. Ich hatte ihn herbei gesehnt. Nicht nur, weil das Scheiß-Paargetanze (das ich wie die Pest hasste) danach endlich vorbei wäre, sondern auch, weil dieser Ball traditionell aus Tanzpaaren echte Paare werden ließ.

Nicht so bei Claudia. Auf meine Frage: "Willste mit mir gehen" entgegnete die blöde Kuh doch tatsächlich: "Ja, aber nur, wenn wir beim Abschlusscontest gewinnen und du dann noch den Aufbau-, Silber- und Goldkurs mit mir machst!" Ich ließ mich nicht erpressen. Die konnte mich mal, so viel stand fest. Danach kam Ingrid und mit ihr mein erster, na ja, Zungenkuss.

Hinter Ingrid war das halbe Dorf her, dem Vernehmen nach in erster Linie aufgrund der Tatsache, dass sie mit 14 schon einen BH trug und diesen augenscheinlich auch dringend brauchte. Auf der Kirmes fragte ich sie mit klopfendem Herzen, ob sie mit mir Autoscooter fahren wolle. Sie nickte, und auch diese Geste war gleichbedeutend damit, dass wir miteinander gingen.

Dabei war Autoscooter eine kritische Kiste. Im Jahr davor hatte ich mein Glück bei Petra versucht. Auch sie fuhr mit, allerdings ging sie danach nicht mit mir, weil mir während der Fahrt ein kleines Malheur passierte. Ich wollte besonders cool sein und nur mit einem Arm lenken, in diesem Fall dem rechten. Sie saß rechts neben mir. Nach einem Frontalzusammenstoß prallte mein Arm vom Lenkrad zurück, woraufhin ich ihr mit dem Ellbogen zwei Schneidezähne ausschlug. Sie redete jahrelang nicht mehr mit mir.

Mit Ingrid lief alles glatt. Wir verzogen uns danach Richtung Kettenkarussell. Ich lehnte an einer Brüstung, sie stellte sich vor mich hin, umschlang mich, presste ihre Lippen auf meine und steckte mir ihre Zunge in den Mund. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ihre Zunge war klein und fest, sie kreiste damit irre schnell um meine herum. Ich hatte das Gefühl, als würde ich mit einem Kanarienvogel knutschen.

Jedenfalls war ich in erster Linie damit beschäftigt, ihrer Zunge auszuweichen und meine seitlich hinten in meinem Mund zu verstecken. Offenbar war Ingrid von meinen Küsserqualitäten ähnlich wenig überzeugt wie ich von ihren, jedenfalls erschien sie immer öfter nicht bei Verabredungen, sondern schickte stattdessen ihre beste Freundin Andrea. Die rückte stets mit einem Kinderwagen an, in dem sie das Baby ihrer Tante rumschob. Sie holte mich dann zum Spazierengehen ab, was natürlich im Dorf eine Unmenge blöder Bemerkungen nach sich zog. Schon allein deswegen war ich gezwungen, mit Ingrid Schluss zu machen.

Ich musste irgendwie raus aus dem Kaff und suchte mir deswegen eine Freundin aus dem Nachbarort, nämlich die hübsche und smarte Heike. Mein Kumpel und ich hatten sie mit ihrer besten Freundin im Freibad kennengelernt. Die Freundin war für ihn, Heike für mich.

Erstaunlicherweise konnten wir bei ihnen landen, obwohl wir kein Mofa, oder (noch besser) ein Mokick, oder (am allerbesten) einer 80er besaßen. Denn ein motorisiertes Zweirad war eigentlich Grundvoraussetzung für solche Hauptgewinne.

Eines zu haben wäre in der Tat auch nicht schlecht gewesen, denn die sieben Kilometer Geradel über Wald und Wiesen gingen mir ziemlich schnell auf die Nerven. Busverbindung gab es keine, und bei ihr zu übernachten, um dann von dort aus am nächsten Tag gemeinsam nach Ingolstadt in die Schule zu fahren, fiel auch aus, weil ihre Eltern das untersagten. Trotzdem schaffte ich es mit Heike eines schönen Nachmittags, das erste Mal „Petting zu machen“.

Mit dem ersten Sex sollte es noch eine Weile dauern, denn mein vermeintliches erstes Mal war ein solcher Reinfall, dass man es eigentlich nicht zählen darf. Mache ich aber trotzdem.

Sie hieß Dagmar und war in diesem Sommer 1983 mein Urlaubsflirt. Schon früh fanden wir während der dreiwöchigen Ferien auf einem Campingplatz in der Nähe Jesolos zusammen, wir hatten also genug Zeit, die ganz große Sache zu planen. Es wäre für uns beide eine Premiere gewesen, und so wollten wir nichts dem Zufall überlassen.

Unsere jeweiligen Wohnwagen waren Sperrgebiet, weil wir ständig damit rechnen mussten, dass die Eltern auf der Matte standen. Strand war auch schwierig, weil sich da selbst nachts zu viele Leute rumtrieben. Die Idee war daher, sich in dem Sportpark einsperren zu lassen, der zum Campingplatz gehörte. Der machte nämlich mit Einbruch der Dunkelheit dicht. Also versteckten wir uns so lange, bis alle draußen waren und der Wachmann abgeschlossen hatte. Damit man ermessen kann, was dann geschah, ist an dieser Stelle ein kleiner Einschub nötig.

Um der Mückenplage in diesen Breitengraden Herr zu werden, fuhr jeden Abend ein kleines Wägelchen zwischen den Zelten und Wohnwagen hindurch und sprühte Insektenvernichtungsmittel in die Baumkronen. Das stank zwar fürchterlich und war gewiss auch nicht gesund, wenn es einem in die Spaghetti rieselte, zeigte aber Wirkung. Der Sportpark jedoch war verständlicherweise von dieser Maßnahme ausgenommen.

Nun sind Mücken ja nicht doof, und so hatten wir schnell den Eindruck, dass zusätzlich zu den ohnehin schon zahlreich im Park versammelten Exemplaren noch die Schlaumeier-Kollegen vom Campingplatz herüberflogen. Ich konnte gar nicht mehr zählen, wie oft ich während des Vorspiels zunächst diskret und von Daggi nahezu unbemerkt, später ziemlich wutentbrannt und offensichtlich eine Mücke totschlug.

Spätestens nach einem Stich in meinen Po fiel es mir zusehends schwer, mich im Zustand der Erregung zu halten. Als dann auch noch direkt vor meinen Augen eine dieser Bestien ihren Stachel genau in den rechten Nippel von Dagmar rammte, war der Ofen komplett aus. Traurig hing das Kondom an mir, wir waren beide übersäht von Einstichen, es juckte fürchterlich. Sex konnte man das nicht nennen, es war eher ein Massaker.

Das volle störungsfreie Vergnügen sollte ich ein Jahr später, also mit 17 haben. Mit Sabine zog ich zwischenzeitlich das große Los. Sie war anderthalb Jahre älter als ich und hatte schon ein Auto! Das war natürlich für mich, der immer noch nichts anderes als ein Fahrrad lenken durfte, der Knaller. Allein die neidischen Blicke meiner Klassenkameraden, wenn sie mich in ihrem schicken Renault von der Schule abholte, waren den Spaß wert.

Dummerweise hatte Sabine nicht nur im Straßenverkehr einen gewissen Erfahrungsvorsprung. Natürlich tat ich so, als hätte ich schon mit 57 Frauen geschlafen. Dass das nicht sein konnte, merkte die forsche Sabine aber ganz schnell. Ich hatte wirklich keinen Plan, und dieser Umstand trieb mir bei jeder körperlichen Annäherung – und sie ging wirklich ganz schön ran – die Schweißperlen auf die Stirn. Nach zwei Monaten machte ich Schluss, mir war der Stress einfach zu viel.

Ihr seht schon, während meiner Adoleszenz ließ mein Beziehungsleben einiges zu wünschen übrig. Nicht nur aus diesem Grund war in all diesen Jahren eine Dame unterschwellig stets präsent. Ich schwärmte für sie wegen ihrer dauerwellenlosen Haare, ihres kecken Ponys, ihrer strahlenden Augen und ihres sinnlichen Mundes. Sie trug auch viel coolere Klamotten als die Dorfpomeranzen, besonders ihre Adidas-Jacke hatte es mir angetan. Zudem war sie nur ein halbes Jahr älter als ich und damit genau meine Kragenweite.

Warum konnte es hier keine wie sie geben? Ich hatte Poster von ihr an den Wänden und versuchte, anhand verschiedener Filmszenen heraus zu finden, wie groß sie denn wohl sei. Da ich eher kurz geraten war, verunsicherte es mich, dass sie deutlich größer als ihre beste Freundin und fast so groß wie ihr Freund war. Aber ich war lustig und konnte gut Fußball spielen, das würde neben all den anderen Defiziten gewiss auch den Umstand kompensieren, dass ich kein Französisch konnte. Ich schrieb ihr trotzdem, natürlich auf Deutsch, in der Hoffnung, dass ihr jemand meine feinfühligen Zeilen übersetzen würde. Zurück kam nur ein gedrucktes Autogramm. Egal, denn zwischen 13 und 17 war sie meine Nummer Eins.

Und damit wären wir wieder bei Sophie Marceau. Damals hätte zu ihr und mir prima ein Song gepasst, der sich jetzt, über 25 Jahre später, auf Saturday = Youth befindet. Nämlich We Own The Sky , mit den Textzeilen: "Each shade of blue is kept in our eyes. Keep blowing and lighting, because we own the sky."

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20 / 2008
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