Musiker-Comeback

Don't come back!

Warum eigentlich beschließen so viele Bands, lange nach Zenit und Auflösung noch mal ein Album rauszubringen? Markus Kavka auf Ursachensuche.

Die Kolumne von Markus Kavka

Ich warte immer noch auf die erste Band, die bei ihrem Comeback besser als zu Zeiten ihres ersten Wirkens ist. Die letzte Ernüchterung diesbezüglich lieferten Smashing Pumpkins bei ihrem bedauernswerten Rock am Ring-Auftritt. Diese zusammengecastete Band mit nur zwei Urmitgliedern in ihren doofen weißen Wallawallagewändern wirkte wie eine schlechte Coverband des Originals. Weg war die Magie, die Billy Corgan und sein Anhang noch Anfang bis Mitte der 90er verstrahlten, das Progrock-mäßige Gegniedel verhallte stattdessen in einem großen, seelenlosen Nichts.

Derlei Schicksale scheinen den ebenfalls in die Jahre gekommenen Rest der Musikerkollegenschar nicht abzuschrecken. Im Gegenteil, die Comebackwelle rollt: Im Sommer suchten uns Genesis heim, diese Woche sind es The Police, und sogar Led Zeppelin gehen wieder auf Tour. Warum tun die das?

Es gibt ja so ein paar Lieblingsgründe, die in so einem Fall gerne mal vorgeschoben werden: "Wir haben der Welt noch was mitzuteilen", "Wir sind im Streit auseinander gegangen und verstehen uns jetzt besser als jemals zuvor", oder, schon aufrichtiger: "Uns war langweilig". Am ehrlichsten und deswegen auch am seltensten ausgesprochen wäre allerdings: "Wir machen es wegen der Kohle". Stewart Copeland, neben Andy Summers das zweite, im ewigen Schatten des alles überstrahlenden Sting stehende, ewige Ex-Mitglied von The Police, gab ungewöhnlicherweise sogar zu, dass das "Geld natürlich ein Faktor für die Wiedervereinigung" war - was angesichts der Tatsache, dass die Band allein bei ihrer US-Tour über 100 Millionen Dollar kassiert, allerdings auch nicht wie die total überraschende Offenbarung wirkt. Auch hierzulande füllen The Police Stadien, und das, obwohl ihr Zenit bereits zweieinhalb Jahrzehnte zurück liegt. Aber klar, die Fans von früher sind noch jung genug, um am Leben zu sein, und der Umstand, dass es zahllose Radiosender gibt, die mit "den größten Hits der 70er, 80er, 90er und dem Besten von heute" werben und Songs wie ´Message In A Bottle´, ´Every Little Thing She Does Is Magic´ oder ´Every Breath You Take´ nicht in Vergessenheit geraten lassen, sorgt zusätzlich dafür, dass 50.000 Leute und mehr um die 100 Euro für ein Ticket abdrücken und dorthin rennen.

Auch bei Genesis war das so, und das, obwohl Ur-Mitglied Peter Gabriel gar nicht mit von der Partie war. Der hält sich, nach eigener Aussage, "zu alt für diesen Scheiß". Seine drei Ex-Kollegen Collins, Rutherford und Banks nicht, auch wenn letzterer im Interview auf die Frage, warum auf der Tour denn nicht die epischen 70er-Jahre-Stücke aufgeführt werden, folgendes antwortete; "Das Zeug ist total schwer zu spielen. Rein physisch betrachtet. Das überlassen wir lieber den jungen Typen der Genesis-Coverbands. Epen wie ´Supper´s Ready´ erfordern Kräfte, die man mit Mitte 50 nicht mehr besitzt."

Dafür haben die Besucher der Konzerte sicherlich vollstes Verständnis. Nicht zuletzt sind deswegen bei derlei Veranstaltungen auch die Sitzplätze lange vor den Stehplätzen ausverkauft. Aber man geht ja dort auch nicht hin zum Stagediven oder Slamdancen, sondern um sich ganz gediegen in die gute alte Zeit zurückbeamen zu lassen, sich noch mal jung zu fühlen, nostalgisch zu sein und mit Sicherheit auch nicht enttäuscht zu werden, weil bei solchen Bands weiß man schließlich, was man hat. Da spielt das Sicherheitsdenken der Nachkriegsgeneration eine große Rolle.

Warum aber sind die Comebacks der Rockdinosaurier-Bands um so vieles erfolgreicher als beispielsweise jene von ehemaligen Stars aus den 90ern? Die erneute Heimsuchung von Tic Tac Toe, Spice Girls und No Angels brauchte aus naheliegenden Gründen keine Sau, dass allerdings auch die Wiederbelebungsversuche von ehedem wegweisenden Bands wie den Pixies, Rage Against The Machine oder bereits erwähnter Smashing Pumpkins weitestgehend unspektakulär versandeten, wirft dann aber doch ein paar Fragen auf.

Liegt es am medialen Overkill und der damit stetig reduzierten Halbwertszeit von Bands? Erinnert sich schon niemand mehr daran, wer vor zehn Jahren mal gut und wichtig war? Ist Pop- und Rockmusik mehr denn je eine Momentaufnahme als ein Jahrzehnte überdauerndes Statement? Tatsache ist, dass kaum mehr eine Band genügend Zeit bekommt, um Fuß zu fassen und sich zu entwickeln. Wenn die erste Platte floppt, kommt auch keine zweite. Und überhaupt, Platten, CDs und so ist eh Kram von gestern, heiß ist nur der Scheiß aus dem Netz, und da gibt es jeden Tag hundert neue geile Sachen zu entdecken. Selbst eine Truppe wie The Strokes, die 2001 mit ihrem ersten Album ´Is This It?´ als Retter des Rock´n´Roll ausgerufen wurde, ist mittlerweile eigentlich durch. Der Musikmarkt hat sich so verändert und ist so schnelllebig geworden, dass kaum noch jemand mitkommt. Insofern müssen sich Bands wie Genesis, The Police oder auch die untoten Rolling Stones für so manch einen wie rettende Bremsfallschirme anfühlen.

Hier mal eine kleine Auflistung von weiteren Bremsfallschirmen, die allein in den nächsten Wochen in Berlin spielen: Gorilla Biscuits (87-91, Comeback 2006), Nitzer Ebb (82-95, Comeback 2006), Take That (90-96, Comeback 2005), Crowded House (85-96, Comeback 2007), Radio Birdman (76-78, Comeback 2003), Siouxsie (mit The Banshees 76-96 aktiv, Comeback 2007), Ten Years After (67-74, Comebacks 89 und 2004), Led Zeppelin (68-80, Comeback 2007), darüber hinaus geben sich nach dem Motto "Unkraut vergeht nicht" auch Phillip Boa, Wishbone Ash, Erasure, Joe Cocker, Rod Stewart, Foreigner, Willy de Ville, Psychic TV, Boney M., Chris Norman, Temptations and Four Tops, Motörhead, New Model Army, Ratt, The Fuzztones, Karat, Keimzeit und die Puhdys die Ehre.

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37 / 2007
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