Populismus

Kriminelle Taschentücher raus!

Wenn der Wahlkampf naht, werden Politiker gerne populistisch. Was steckt dahinter? Reale Gefahr oder nur Effekthascherei? Wir haben sechs Fälle ausgesucht - urteilt selbst!

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4. Die Flugblatt-Affäre

Im Bundestagswahlkampf 2002 startete Jürgen Möllemann – damals Vorsitzender der nordrhein-westfälischen FDP – eine Kampagne gegen Michel Friedmann und den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Jamal Karsli, Mitglied der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, hatte zuvor von einem „Vernichtungskrieg“ der Israelis gegen die Palästinenser und einer „zionistischen Lobby“ in Deutschland gesprochen. Karsli wurde daraufhin auf Initiative Möllemanns in die FDP-Fraktion aufgenommen.
Als Michel Friedman, damals Vizepräsident des Zentralrates der Juden, ihn deswegen kritisierte, erwiderte Möllemann. „Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art.“ Eine beliebte Argumentationslinie von Neonazis nutzend, schob Möllemann den Judenhass damit auf das Verhalten der Juden selbst. Kurz darauf ließ er ein Flugblatt an alle Haushalte Nordrhein-Westfalens verteilen, auf dem Scharon als Kriegtreiber und Friedman als Propagandist dargestellt waren. Beim Wähler kam Möllemanns Antisemitismus nicht gut an: Statt der von ihm geforderten 18 Prozent erhielt die FDP nur schwache 7,4 Prozent der Stimmen.

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02 / 2008
ZEIT ONLINE