Computerspiel

Der Pong-Mann

Allan "Al" Alcorn entwickelte das legendäre Tischtennisspiel "Pong", später den Vorläufer der Atari-2600-Konsole und mit Steve Jobs den Apple I. Und heute? Ein Interview

Fragen von Frank Magdans

ZUENDER: Mister Alcorn, heute, nach 35 Jahren, genießt „Pong“ längst Kultstatus. Diverse Computerkünstler und Technikfreaks haben Modifikationen des Games entwickelt. Wie kommt das bei Ihnen an?

Alcorn: Oh ja, gerade die Deutschen sind da sehr gut drin. Das schmeichelt mir sehr. Schließlich ist „Pong“ eine sehr alte Maschine. Ein Deutscher aus Berlin hat sogar ein mechanisches „Pong“ entworfen, mit Relais – meine Güte! Als wir davon erfuhren, wollten wir ihn zur „Hacker’s Conference“ einladen, doch er dachte wohl, es handele sich dabei um ein Treffen von Leuten mit bösartigen Absichten. Das ist es aber nicht. Auf der „Hacker’s Conference“ in Kalifornien kommen all die Pioniere der Hard- und Softwarewelt zusammen. Tja, da ist ihm wohl was entgangen.

Interessieren Sie sich auch heute noch für Games?

Ja, aber nicht in demselben Maß wie früher. Ich vergleiche es so: Papa mag kleine Hundebabys, doch wenn sie ausgewachsen sind, dann sind sie wie alle anderen. Ich mag es, neue Sachen ins Rollen zu bringen. Das ist es, was ich mein ganzes Leben lang tue. Videogames waren das erste, und damit wurde ich auch sehr glücklich. Aber es macht mir noch mehr Spaß, mich der Herausforderung zu stellen, eine neue Technologie auf den Markt zu bringen. Nach Atari habe ich eine Waren- und Spielautomatenfirma gegründet. Das war 1994. Zuvor war ich bei Apple. Zwischen 1986 und 1991 habe ich mit dem begonnen, was einmal QuickTime werden sollte. Außerdem habe ich an der Entwicklung von MPEG mitgewirkt. Mir liegt es, alte Geschäftswege aufzubrechen und neue Pfade einzuschlagen.

Nun war es ja für Sie in der Zeit, nachdem Warner Atari gekauft hatte und Ihr Chef, Nolan Bushnell, gegangen war, auch nicht gerade einfach. Sie haben damals an einer Konsole namens Cosmos gearbeitet, doch niemand schenkte Ihrer Entwicklung Vertrauen…

Oh ja, lassen Sie mich von vorne anfangen. (Er stöhnt und holt tief Luft). In meinem Leben gibt es vier Ataris: Nolans Atari, das hätte jeder miterleben müssen! Dann gab es Ray Kassars Atari bei Warner – weniger spaßig. Dann gehörte Atari Jack Tramiel. Nun gibt es ein ganz neues Atari. Und es sind völlig unterschiedliche Firmen. Sie haben alle denselben Namen und profitieren von unserem Erbe. Nun, Nolans Atari war das Beste. Wir waren alle jung, hatten Spaß…

… und feierten wilde Parties…

Oh yeah (er lacht). Bei Warners Atari stand ich irgendwann alleine da. Alle waren weg, all die Oldtimer. Atari war mein Baby – ein großes Baby, aber immer noch meins (er stöhnt). Mir war es zuerst nicht klar. Was ich erlebte, war, dass eine Innovation gestoppt wurde. Um frei zu sein und um neue Ideen zu verwirklichen, muss man riskieren, Fehler zu machen. Sehr, sehr viele große Firmen können das nicht. Sie können es sich nicht leisten, innovativ zu sein. Denn wenn sie versagen, sind sie raus aus dem Geschäft.

Das ist nicht Ihre Welt?

Im heutigen Videogame-Business zu bestehen, stelle ich mir sehr kompliziert vor. Allein die Produktionskosten! Das VCS war nach einem Jahr fertig, ein Game innerhalb von drei Monaten. Wäre es ein Flopp gewesen, hätten wir zehntausend Dollar verloren. Das hätte niemanden gejuckt. Und was kostet ein Titel heute? Millionen. Es ist ein völlig anderes Geschäft – eines, mit dem ich bestimmt sehr schlecht zurechtkommen würde. Wenn ich über die Game-Messe E3 laufe und sehe, was da alles angeboten wird – unglaublich! Natürlich erstaunt es mich, was alles aus einem so simplen Ansatz geworden ist. Es steht heute mehr auf dem Spiel, als wenn man einen Film drehen will. Früher war das alles einfacher, denn ich war der einzige, der da war (lacht laut).

Aber auch wenn man so kreativ wie Nintendo ist, kommt der Erfolg.

Es ist eher Armut, die Kreativität inspiriert... (lacht). Kreativität hat etwas damit zu tun, dass man Dinge verändern möchte. Und das tut man, weil man in Not ist. Entweder, weil man nicht mag, dass alles so weiter geht. Oder eben, weil man Geld braucht.

Andererseits blockiert die Jagd nach Profit doch oft die Kreativität. Die meisten Produzenten orientieren sich nur an den Games, die auch Erfolg haben.

Das ist bedauerlich. Wie gesagt, da steckt dann so viel an Geld dahinter, dass es gar nicht anders geht. Also sagen sich die meisten: Wir machen es genauso – nur ein bisschen anders.

Das hat Nolan sicherlich auch damals zu Ihnen gesagt, als er Ihnen den Auftrag gab, „Pong“ zu entwickeln…

Nolan kam damals zu mir und meinte, er hätte da diesen Auftrag von General Electric. Ich wusste nicht, dass es gar keinen Auftrag gab und dass er die Idee von Magnavox gestohlen hatte. Ich war jung und naiv. Nolan wusste, dass es kein gutes Game war. Deshalb war es für ihn auch kein Problem, es zu kopieren. Wenn ich meine Aufgabe nicht gut gelöst hätte, hätte er mich daraufhin einfach mit etwas Besserem beschäftigt.

Doch dann wurde „Pong“ der große Hit.

Tja, wer hätte das ahnen können? Nachdem wir den ersten Automaten aufgestellt hatten, merkten wir, dass das Game supergut ankam. Obwohl es keine Spielanleitung gab! Deshalb wunderten wir uns umso mehr, dass es trotzdem erfolgreich wurde.

Was sich damals in den Bars und Spielhallen rund um die „Pong“-Automaten abspielte – lässt sich das als ein soziales Phänomen beschreiben, wie es heute bei „World of Warcraft“ oder „Second Life“ stattfindet?

Wenn ich sehe, mit wem überall auf der Welt mein Sohn über das Internet in Kontakt kommt, dann fällt mir sofort wieder „Pong“ ein. Auch das war eine Sache des Miteinanders. In den Vergnügungszentren war einfach was los. Ich würde sagen, dass die aktuellen Virtual-Life-Games lediglich ein Multiplikator dessen sind.

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99 / 2007
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