Rechtsbelehrung

Pop für alle

Mit dem US-Popsternchen Jessica Simpson wirbt Yahoo für Musik-Downloads ohne Rechtebeschränkung. Klingt, als ob der Sheriff von Nottingham ein bisschen Robin Hood spielen möchte.

Von Stefan Mauer

"Der Deal ist größer, als Ihr denkt", schreibt Ian Rogers, Musik-Produktmanager bei Yahoo, in seinem Blog . Mit blumigen Worten empfiehlt er den Kunden von Yahoo USA, für einen zuckersüßen Tralala-Song des Popsternchens Jessica Simpson stolze zwei Dollar zu investieren. "Auch, wenn Ihr nicht auf Jessica Simpson steht und nicht begeistert seid, so viel Geld für ein Lied auszugeben."

Der Grund für die Aufregung: Der Familienname der Datei, in der das Lied runtergeladen werden kann, lautet ".mp3". Bei solchen Dateien funktioniert DRM nicht, also Digital Rights Management . Das ist das System, mit dem Musicload und Co. verhindern wollen, dass legal heruntergeladene Musik illegal weiter kopiert wird. Yahoo wirbt damit, bewusst auf DRM zu verzichten, weil davon am Ende sowohl Kunden als auch Verkäufer profitierten. Die Suchmaschinisten sind nicht die ersten, die einen solchen Vorstoß wagen. Aber die ersten, die genug Gewicht haben, um vielleicht etwas zu ändern.

Dass DRM überhaupt eingeführt wurde, war in erster Linie ein Wunsch der großen Plattenlabels. Weil die ihre Musik nicht einfach in Dateiform packen und unbegrenzt kopierbar anbieten wollten, entwickelten sie Technologien, die verhindern sollten, dass Dateien beliebig vervielfältigt werden können. Die bekanntesten sind das von Microsoft entwickelte "Windows Media DRM" und "FairPlay" von Apple. Ersteres benutzt der größte deutsche Anbieter Musicload , letzteres setzt Apple in seiner iTunes -Software ein.

Beide Systeme funktionieren ähnlich: Zusammen mit der Musikdatei erhält der Nutzer eine so genannte "Lizenz", die an die Datei gekoppelt ist, aber nicht mitkopiert werden kann. Nur mit Programmen, die diese Lizenz lesen können, lässt sich der Song abspielen. Abgeschwächt wird das Ganze durch einige Freiheiten, die sich in die DRM-Lizenzen einbauen lassen. So erlauben sowohl Musicload als auch iTunes den Kunden, die Lieder ein paar Mal auf CD zu brennen oder auf mp3-Player zu kopieren. Die Lizenz "verbraucht" sich dabei und blockiert irgendwann weitere Kopiervorgänge.

Das Hauptproblem ist die Inkompatibilität. Denn wer – legal – ein Album bei Musicload herunterlädt, kann es noch lange nicht überall einsetzen. Wer zum Beispiel bei Marktführer Apple für teures Geld einen iPod erworben hat, schaut in die Röhre: Die kleine Maschine mag super aussehen, aber das Windows Media-Format kann sie nicht lesen. Umgekehrt gibt es mp3-Player, die das "FairPlay"-Format nicht unterstützen. Und mit zu alten Geräten funktioniert ohnehin keiner der Standards. Auch wer sich als DJ seine Musik digital bestellen möchte, muss höllisch aufpassen, nicht auf den falschen Standard zu setzen. Wenn die DJ-Software das entsprechende DRM nicht unterstützt, bleibt es in der Disco still.

In diese Kerbe schlägt Yahoo mit seinem Simpson-Angebot. "Kunden und Anbieter profitieren gleichermaßen. Denn für Unternehmen wie Yahoo ist es sehr teuer, DRM in ihr System einzubauen", erklärt Rogers in seinem Blog. Sein Hauptargument aber: Zu restriktive und vor allem inkompatible Schutzsysteme verschrecken die Kunden. Seiner Einschätzung nach könnten kommerzielle Downloadangebote viel erfolgreicher sein, wenn sie nur auf Rechtemanagement verzichteten. Damit schiebt er den Schwarzen Peter den großen Plattenlabels zu, die ohne DRM den Händlern im Internet ihre Musik nicht zur Verfügung stellen.

Auch Yahoo kann deswegen nicht einfach aus allen seinen Liedern den DRM-Code entfernen. Unter den knapp 1.000.000 Liedern, die Yahoo anbietet, ist "A Public Affair" von Jessica Simpson bisher das einzige ohne DRM. Will Yahoo sich nun dauerhaft auf die Seite der DRM-Gegner schlagen, oder ist die Kampagne nur Marketing für einen durchschnittlichen Popsong und das eigene Musikportal?

Joachim Jakobs ist verhalten optimistisch. Der Sprecher der Free Software Foundation Europe (FSFE) sagt: "Grundsätzlich ist so eine Initiative toll. Aber ob das für nachhaltige Politik steht oder eine Eintagsfliege ist, wird sich erst zeigen müssen." Die FSF setzt sich seit 2001 für freie Software und freies Wissen ein. "Frei ist dabei nicht gleich kostenlos", betont Jacobs. "Wir fordern aber, dass der Nutzer mit einem gekauften Produkt – sei es nun Musik oder ein Computerprogramm – machen kann, was er will und nicht an willkürliche Beschränkungen der Verkäufer gebunden ist."

Dass das funktionieren kann, zeigt der Erfolg von Emusic . Der US-Anbieter arbeitet nur mit Independent-Labels zusammen und bietet deren Lieder ohne DRM im Abo an. Für 12.99 Dollar im Monat kann man sich beispielsweise 40 Lieder ziehen, ohne sich weiter Gedanken um Kompatibilität und Kopierschutz machen zu müssen. Kundenbindung schafft der Anbieter vor allem mit einem ausgeklügelten Bewertungs- und Empfehlungssystem, das die Vorlieben der Nutzer speichert und ihnen entsprechende Musikempfehlungen macht. Allerdings sucht man die meisten Charterfolge hier vergeblich.

Wer also nach legalen Downloads von Britney Spears und Co. sucht, kommt um DRM nicht herum. Zumindest in nächster Zeit wird daran auch der Testballon von Yahoo nichts ändern. So lange müssen Nutzer sich wohl damit herumärgern, dass auch die Anbieter selbst nicht so genau wissen, was sie wollen. Denn wer sich zum Beispiel eine Audio-CD mit bei iTunes gekauften Liedern brennt, kann die Software bei einem Verstoß gegen die eigenen Nutzungsbestimmungen ertappen: Beim erneuten Einlegen in das Laufwerk bietet iTunes an, die Stücke noch einmal auf den Computer zu kopieren – DRM-frei. Höchste Zeit, dass da mal jemand für Klarheit sorgt. Ob Apple, Yahoo oder der Sheriff von Nottingham, ist eigentlich egal.

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33 / 2006
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