Selim Özdogan
Erklär mal asozial
Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, nennt man gerne schon mal Asis oder Asoziale. Menschen, die genug Geld haben, um sich eine Tageskarte in der Sauna zu leisten, zählt man gemeinhin nicht zu dieser Kategorie.
Wir sind in Deutschland, alles hier hat seine Regeln und oft genug habe ich den Eindruck, daß diese Regeln hier eher befolgt werden, als in anderen Ländern. Doch nicht so in der Sauna, wo es Hinweiseschilder gibt, daß man bitte keine Liegen reservieren soll. Aber die Leute drapieren Taschen, Handtücher, Bücher, Wasserflaschen auf den Polstern, auf daß sie nicht stehen müssen, wenn sie sich ablegen wollen.
Da es eh nicht erlaubt ist, nehme ich den Kram gerne von der Liege, platziere ihn auf dem Boden und lege mich hin. Wenn ich dann eine Stunde dort geruht habe, ohne daß jemand kommt und seine Sachen auf dem Boden abholt, weiß ich, wie man das Wort asozial gut veranschaulichen kann.
Wenn du einen Platz, den du so lange nicht brauchst, auch unbrauchbar für andere Menschen machen möchtest, kann das nur ein Zeichen davon sein, daß du zu gemeinschaftlichem Handeln kaum fähig bist.
Es wäre ja meist auch immer genug Platz für alle da, wenn nicht so viele Liegen reserviert wären. Oder wenn mehr Menschen die Habseligkeiten der Asozialen beiseite packen würden.
Da sich aber viele offenbar genau das nicht trauen, gibt es in Köln im Neptunbad Mitarbeiter, die herumlaufen, Liegen frei räumen und auf den Taschen, Büchern, Handtüchern der Asozialen kleine Kärtchen hinterlassen, auf denen steht, daß man bitte keine Liegen reservieren soll.
Ich bin ganz zufrieden mit dem, was ich mache, aber ich neide den Leuten auch diesen Job: Versuchen anderen die Grundregeln des Zusammenlebens beizubringen und dafür auch noch bezahlt werden.
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50 /
2007
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