Kolumne
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Meine Cousine feierte Verlobung und mein Onkel schenkte mir einen Whisky-Cola nach dem anderen ein. Ich war 14. Das Leben wurde sehr leicht und noch am nächsten Morgen dachte ich: So müsste es sich immer anfühlen. Jahrelang trank ich regelmäßig Alkohol, gegen Ende oft genug auch ohne jeglichen Spaß.
Auf der Rückbank eines Autos, an einer roten Ampel, bekam ich einen überraschenden Kuß und dachte, nichts könnte schöner sein. Ich küsste noch oft, aber es kamen dabei nur drei Küsse heraus, die mit diesem konkurrieren konnten.
Ich saß abends in meinem dunklen Zimmer, verliebte mich in die Farbe des Mondes und wurde ganz ruhig. In den nächsten Tagen sah der Mond aus wie eine langweilige Tätowierung am Nachthimmel, die man in besseren Tagen hat stechen lassen.
Morgens sangen die Vögel und ich wurde wach davon und mußte sofort lächeln. Klar, warum hatte ich nicht vorher darauf geachtet? Die Vögel sangen den ganzen Frühling, aber nie fühlte es sich so gut an wie an diesem Morgen.
Wenn ich die blonden Haare an ihren Lendenwirbeln ansah, dachte ich würde blind werden, so unfaßbar schien mir dieser Anblick. Ich wurde ein anderer, wenn ihr T-Shirt hochrutschte. Und bald waren da nur noch Haare.
Ich tanzte zu Connected, jahrelang, egal wo es lief. Ich hatte es nicht zu Hause, weil ich wußte, daß es sich dort abnutzen würde. Und eines Tages lief es auf einer schlechten Party, aber ich konnte mich nicht mehr verbinden und stand trüb in der Ecke.
Schönheit und Glück sind einige Momente lang zwei Schwestern, die rücklings auf einer Wiese liegen, die Sonne scheint und beide lächeln in dem Himmel. Die eine hat eine Sommersprossen, die andere Augen von einem funkelnden Grün.
- Sie sind alle gleich, sagt die Ältere, sie verstehen es einfach nicht.
Die jüngere weiß sofort, worum es geht.
- Ja, sie begreifen nicht, daß wir überall sein können.
- Nur nicht da, wo man uns sucht.
- Und dann glauben sie, wir würden verstecken spielen.
- Anstatt einfach aufzuhören zu suchen.
Sie lachen und man könnte glauben, sie verschwinden. Aber sie nehmen nur wieder eine andere Form an.
Auch wichtig:
Nichts zu suchen
- Warum geht man auf Partys wenn man von niemandem etwas will?
Drüber reden?
- Selims Texte werden hier im Forum diskutiert
Nach Hause
- Zuender. Das Netzmagazin
99 /
2007
ZEIT ONLINE