LIEBE

Nichts zu suchen

Warum geht man auf Partys wenn man von niemandem etwas will?

Die Kolumne von Selim Özdogan

Wir kennen uns lange und gut genug. "Du hast einfach vergessen, wie sich das anfühlt, sagt sie."

"Nein, sage ich, ich kann mich sehr gut daran erinnern. Es ist, als würde man aus einem Traum erwachen, die ganze Welt sieht plötzlich anders aus. Als habe man vorher all diese Schönheit einfach verschlafen. Und nicht nur das, man selbst ist auch ganz anders, nicht nur beschwingter, fröhlicher, freundlicher, geiler, zärtlicher, nein, man ist jemand anders."

Wenn ich in dem Zustand jemandem begegne, mit ich mein Glück ausnahmsweise nicht teilen möchte, einer Ex-Freundin zum Beispiel, dann versuche ich mich zu erinnern, wie ich vorher war und versuche diese Person zu spielen. Und das ist ganz schön schwierig.

"Und du denkst jetzt, das sind alle nur projizierte Sehnsüchte, Eitelkeiten, sexuelle Anziehung, emotionale Wirrnisse und Illusionen?"

"Kann sein. Kann aber auch nicht sein. Es ist egal, was es ist, es spielt einfach keine Rolle. Alles, was ich weiß ist, dass es nie zu irgend etwas geführt hat. All die Male hat es zu nichts geführt. Bei anderen schon, wenn ich mich so umsehe, aber bei mir nicht. Ich verbringe mein Leben immer noch allein, zwischen Musik und Büchern. Und sonst? Schau mal wie selten wir uns noch sehen."

"Okay, sagt sie, angenommen, es stimmt, was du sagst, du möchtest dich wirklich nicht verlieben, kannst du mir dann erklären, warum du so vielen Frauen hinterguckst? Weißt du eigentlich wie deine Augen dabei aussehen?"

Markus fällt mir ein. Als er vor Jahren seine erste längere Beziehung hatte, hat er gesagt: Klar gehe ich noch auf Partys, aber ich weiß nicht mehr, was ich dort soll. Ich habe ja schon eine Frau. Auf diesen Festen fühle ich mich auf einmal arbeitslos.

"Irgend was muss man ja tun", sage ich.

Sie sieht mich an, nach einer kleinen Weile lächelt sie und nickt. Wir kennen uns lange und gut genug.

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31 / 2007
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