Liebe
Brücken ins Nichts
Es war nur ein Text, hingekritzelt in einer Zeitschrift. Jetzt schaut sie mich an und ich weiß nicht, was ich sagen soll
Komm, lass uns durch Wasser gehen, lass uns unsere Spuren verwischen. Sei wie der warme Wind auf meiner Haut und lass uns diesen Hunger vergessen. Wie du da so liegst auf der Rückbank, schlafend, kann ich nicht anders, als dich ansehen, auf einem dunklen Rastplatz, mit laufendem Motor, damit du nicht aufwachst. Ich kann nicht anders, als mich in diese Sommersprosse hineinziehen lassen an deinem linken Mundwinkeln, ich kann nicht anders, als den dunklen Schatten deiner Achselhöhle als ein Versprechen zu sehen, ich kann nicht anders, als dich riechen, selbst wenn es ein Foto ist, das ich in den Händen halte. Kommen, wir wollen vergessen, wer was wann warum falsch gemacht hatte und welche Narben davon geblieben sind. Vergessen wie einen Film, der nicht beeindruckt und in dem wir sowieso nicht mitspielen.
Komm, lass uns durchs Wasser gehen, dorthin, wo scheue Tiere sich grüßen.
So ähnlich habe ich es hingekritzelt vor ein paar Nächten und das Blatt hinterher in die Zeitschrift getan, die ich als Unterlage auf dem Küchentisch benutzt hatte. Sie schaut auf dieses Blatt, liest, und ich kann sehen, wie eine kleine Welle durch ihren Körper geht.
Dann bemerkt sie erschrocken, dass ich zurück im Raum bin. Sie sieht mich an, eine Mischung aus Verunsicherung, Scham, Angst und Hoffnung. Und in all das hineingewoben eine nur leicht verborgene Frage: Du meinst mich, oder? Meine Augen beginnen zu glänzen, doch das versteht sie natürlich falsch und ich schaue schnell zu Boden.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist bloß ein Text. Missglückt obendrein.
Ein Text, den ich nur geschrieben habe, um etwas zu tun zu haben. Doch wenn ich ihr das sage, wird sie nicht begreifen wollen, was das bedeutet. Und wenn doch, wird sie wohl gehen. Und ich habe noch weniger zu tun.
Es gibt Zeiten, da baust du Brücken, die im Nichts enden.
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27 /
2007
ZEIT online