Gefühle

Was der Toaster wärmt

Im Frühling wendet sich die Phantasie der Liebe zu, heißt es. Das stimmt – um drei Ecken.

Die Kolumne von Selim Özdogan

Mein Toaster ist kaputt gegangen. An einem Morgen ging er noch und am nächsten schon nicht mehr. Er hat sich nie Macken erlaubt, ist nicht lange dahingesiecht, hat keine Warnungen verschickt, sondern hat es einfach nicht mehr getan.

Ich bin gleich in den Laden und stand da vor dieser großen Auswahl an Toastern. Vor einigen Wochen musste ich mir einen neuen Wasserkocher kaufen und ich wusste so ungefähr, was auf mich zukam.

In der Welt, in der wir leben, tun sie ja so, als wäre alles in bester Ordnung, wenn man nur wählen kann. Wenn man selber die Entscheidung trifft, in welchem Behältnis das Wasser nun zum kochen gebracht werden soll, dann hat das System sein Versprechen erfüllt. Du bist frei und selbstbestimmt und übernimmst Verantwortung. Das ist nicht wie früher in der Planwirtschaft, wo es von allem nur eine Sorte gab. Hier sind knapp 50 Wasserkocher. Es steht dir frei, eine Stunde oder gar mehr Zeit zu vergeuden, indem du dich mit ihnen beschäftigst. Dabei erfüllen alle denselben Zweck.

Doch die billigeren Wasserkocher sind meistens ausgesprochen häßlich. Und 80 Euro kann und will ich nicht für einen schönen Wasserkocher ausgeben. Es ist eigentlich wie immer, du bezahlst die Verpackung.

Und ich stehe da und überlege lange. Lange. Welcher dieser Wasserkocher, den ich mir noch leisten kann, der am wenigsten häßliche ist. Selbstbestimmung. Eine Stunde diese Regalreihe hoch und runterlaufen. Als ginge es um etwas.

Und natürlich geht es um etwas, ich muss mir das Ding jeden Tag ansehen.

Bei dem Toaster wollte ich es anders machen. Kauf dir einfach einen teuren, habe ich gedacht, nicht den am wenigsten häßlichen, sondern den billigsten schönen. Das geht schneller.

Ging es auch. Vielleicht auch deswegen, weil ich keine Lust hat, mich mit Toastern zu beschäftigen. In fünf Minuten stand ich an der Kasse.

Daheim packte ich das Gerät aus. Man kann sich nichts kaufen, nichts, das irgend einen Wert hätte. Manchmal ist es so, als wäre die Welt absichtlich so kompliziert, so voller Versprechungen und so zugemüllt mit Auswahl, Auswahl, Auswahl. Damit man sich nicht zurechtfindet, damit man ganz verzagt wird, damit man auf nächstes Mal hofft, wo irgend etwas, das man kauft, einen glücklich macht.

Oder zumindest nicht unglücklich. Der Toaster hat Platz für vier Scheiben Brot. Das war mir im Laden nicht aufgefallen, dort habe ich auf andere Dinge geachtet. Ich vermute das Gerät ist für mindestens zwei Personen gedacht. Jetzt werde ich jeden Morgen daran erinnert, dass ich allein ins Bett gehe, allein schlafe, allein frühstücke.

Im Frühling wendet sich die Phantasie eines jungen Mannes der Liebe zu. Und wenn sie es nicht tut, dann kann man sich immer noch einen Toaster kaufen, der jeden Morgen deine abgestandene Sehnsucht aufwärmt.

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18 / 2007
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