Gesellschaft

So blöd kann keiner sein

Frauen, Migranten, Süchtige, Vorbestrafte: Vom Diskriminieren und diskriminiert werden.

Die Kolumne von Selim Özdogan

Einmal hatte ich das Pech, einen halben Abend am gleichen Tisch zu sitzen, wie Hella von Sinnen. Seitdem weiß ich, dass Lesben in diesem Land aufs Schrecklichste diskriminiert werden. Nicht weil sie alle so vorlaut, geschmacklos, geschwätzig und aufmerksamkeitssüchtig wären, sondern einfach nur wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Aber es werden ja auch heterosexuelle Frauen in diesen sogenannten Parallelgesellschaften unterdrückt, müssen Kopftuch tragen und dürfen keinen Sex vor der Ehe haben. Und auch Frauen in der Mehrheitsgesellschaft werden unterdrückt, selbst wenn sie rausgehen und arbeiten, verdienen sie nicht das gleiche wie Männer.

Schwarze werden diskriminiert, Juden, Ausländer, Behinderte, Tätowierte, Vorbestrafte, Obdachlose, Mantafahrer, jede Randgruppe nimmt für sich in Anspruch benachteiligt zu sein. (Uuups, von Frauen zu Randgruppen in einem Absatz, ich argumentiere nicht ganz sauber, aber das hier ist auch kein Philosophieseminar und ich glaube der Punkt ist klar.)

Wer unterdrückt hier eigentlich? Der durchschnittliche deutsche Mann? Der verzweifelt wahlweise am Jugend- oder Fitnesswahn, leidet unter dem allmächtigen Bild, das die Medien entwerfen. Er ist möglicherweise geschieden und fühlt sich benachteiligt durch die Regelung der Unterhaltszahlungen. Er hat vielleicht einen Chef, der ihn ausbeutet. Er ist Alkoholiker, wurde als Kind geschlagen oder mißhandelt. In dieser geldorientierten Welt ist er vielleicht spielsüchtig geworden, oder er fühlt sich als Raucher diskriminiert, muss als Politiker dem Wähler nach dem Mund reden und als Manager weiß er um seine Austauschbarkeit, die ihm jeglichen menschlichen Wertes beraubt.

Alle fühlen sich aus dem einen oder anderen Grund diskriminiert, unterdrückt und machtlos. Zumindest nahezu alle. Aber wer bleibt dann übrig und sind diese wenigen dann die, die die anderen unterdrücken? Oder sind wir so doof, uns das gegenseitig anzutun?

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51 / 2006
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