Liebeskummer

Welche Worte helfen?

Gesucht: Ein Zauberspruch gegen Seelenschmerz. Warum ich? Ich schreibe nur.

Von Selim Özdogan

Nach einer Lesung kam eine junge Frau auf mich zu, in der Hand einen kleinen Zettel und fragte mich, ob ich ihr etwas gegen Liebeskummer aufschreiben könne. Ich war vieles. Erstaunt, verwundert, geehrt und überfordert. Es schmeichelte mir, dass mich da jemand mit großen, traurigen Augen ansah und mir offensichtlich zutraute, Worte zu finden, die Schmerzen lindern konnten. Worte wie ein Zauberspruch.

Gleichzeitig fühlte ich mich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Ich bin kein Arzt, kein Therapeut, kein Seelsorger, kein Psychologe, kein Magier, ich schreibe bloß, ich gebe keine Ratschläge oder Arzneimittel. Wenn meine Worte dennoch Trost spenden, dann empfinde ich das als schön und es ehrt mich, doch das ist nur ein Nebeneffekt. Ich schreibe ja immer ins Dunkel hinein und nun stand da wirklich jemand vor mir und ich strich immer wieder diesen Zettel glatt und überlegte. Ich konnte ihr die Bitte nicht abschlagen, auch wenn ich Gefahr lief, großartig zu scheitern.

Und ich schrieb. Ich schrieb in meiner ungelenken Schrift einige Worte. Vielleicht hättte sie jeder schreiben können. Vielleicht ging es nicht um die Worte und Sätze. Ich weiß es nicht.

Ich konnte nicht ahnen. Das kann man fast nie. Ich konnte nicht ahnen, dass ich Wochen später zu Hause sitzen würde und versuchen würde mich an jedes einzelne Wort zu erinnern, das ich aufgeschrieben hatte. Ich suchte den Trost, den sie auch gesucht hatte. Und ich holte nach einiger Anstrengung die Sätze, die ich auf den Zettel geschrieben hatte, zurück in mein Gedächtnis. Aber mir selbst halfen sie nicht.

Es ist wie Bukowski sagt: Ich schreib das Zeug, ich kanns doch nicht auch noch lesen.

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49 / 2006
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