Selim

Weltall, Erde, Mensch

Warum gehen wir immer zu spät ins Bett? Und was beweist das? Selim Oezdogan denkt in seiner Kolumne über das Wunder Leben nach

Von Selim Oezdogan

Als ich angefagen habe, Traumtropfen zu schreiben, einen Roman in dem es auch um Träume geht, habe ich so einige Bücher zum Thema gelesen. Und in mehreren davon bin ich über diese Versuche gestolpert, die man mit Menschen in einer zeitfreien Umgebung gemacht hat.

Zeitfrei heißt, daß es kein Tageslicht gibt, keine Uhr, kein Telefon, Internet, Fernsehen oder sonst etwas, das einen Hinweis geben könnte. In erster Linie haben sich für diese Versuche Studenten gemeldet, die ohne Ablenkung für Prüfungen lernen wollten und dankbar waren, einige Wochen in einem Bunker ohne Kontakte zur Außenwelt verbringen zu können.

Sie haben der Versuchsleitung einfach angegeben, wann sie schlafen, essen, lernen, sich bewegen, lesen und so weiter. Dabei hat sich bei allen nach einigen Tagen ein Rhythmus eingestellt, der von Mensch zu Mensch unterschiedlich war: Mal 25, mal 26, mal 26,5 Stunden, aber immer länger als 24. Das würde erklären, warum man dazu neigt, abends später ins Bett zu gehen und morgens länger zu schlafen. Wir wollen uns unserem natürlichen Rhythmus annähern.

Aber sonst wirft es nur Fragen auf. Wie kann Leben, das auf der Erde enstanden ist, die schön ihren 24Stunden- Rhythmus einhält, einen anderen Rhythmus haben? Wieso haben es Jahrtausende äußerst regelmäßiger Erdumdrehungen nicht geschafft, uns in diesen Gleichklang einzubinden? Wieso dauert es in einer zeitfreien Umgebung nur wenige Tage, bis wir aus dem Diktat der 24 Stunden ausbrechen? Wieso scheint der natürliche Rhythmus des Menschen ein anderer zu sein, als der der Natur?

Niemand hat eine wissenschaftliche, schlüssige Erklärung dafür. Ich nehme es einfach als Beweis: Dieses Leben ist nichts geringeres als ein Wunder.

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43 / 2006
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