Selim
Der Bagger
Selim wundert sich: Was ist das für eine Welt, in der man Bagger immer mal gebrauchen kann? Passen die Schuhe, vergisst man die Füße
Wir sitzen auf einer Wiese, es ist eine Sommernacht, neben uns brennen Fackeln, die Stimmung ist angenehm. Ein blonder Mann Anfang zwanzig, der so wirkt, als könne er nicht mal beim Schlafen richtig entspannen, erzählt, daß er einen Seecontainer in einer Lagerhalle hat. Der Container steht allerdings schief in der Halle und das stört ihn.
Ich weiß, so kann man eine Geschichte nicht erzählen, es gibt dann immer Menschen, bei denen diese Informationen zahlreiche Fragen hervorrufen. Wie Seecontainer? Wie Lagerhalle? Was ist denn in dem Container drin? Warum braucht man so etwas? Was ist das überhaupt – ein Seecontainer?
Ich habe nicht nachgefragt, ich habe einfach nur zugehört. Aber ich glaube in dieser Geschichte geht es nicht um Seecontainer und Lagerhallen, es geht um Bagger.
Um den Container nämlich wieder gerade zu rücken, hat der Mann sich einen Bagger geliehen. Der Bagger allerdings war schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr gewartet worden und tat es einfach nicht. Er sah aus wie ein Bagger und hatte auch mal die Arbeit eines Baggers verrichten können, aber nun hatte er einige Macken. Der Mann versuchte den Bagger zu reparieren, weil er sich auskennt mit den Macken, die Bagger, Autos und LKWs haben können. Doch er schaffte es nicht und gab den Bagger entnervt zurück. Der Container stand immer noch schief.
Über einen Umweg bekam er dann einen Bagger geschenkt, erzählte er freudestrahlend und die Umstände, die er schilderte waren glaubhaft. Er rückte den Container wieder gerade.
Toll, sagte ich, aber was machst du jetzt mit dem Bagger? Einen Bagger kann man immer mal gebrauchen, sagte er und es klang, als sei er ehrlich überrascht darüber, daß ich das nicht wußte. Es klang, als wären Bagger so etwas Ähnliches wie Schweizer Taschenmesser.
Ich sah ihn an und versuchte es zu verstehen. Ich versuchte die Welt eines Menschen zu verstehen, in der man Bagger immer mal gebrauchen kann.
28 /
2006
ZEIT online