Kolumne

Literatur

Passen die Schuhe, vergisst man die Füße

Von Selim Özdogan

Es wird ja gerne immer noch der Unterschied gemacht zwischen Unterhaltungsliteratur und ernsthafter Literatur. Auf der einen Seite sind Heftchenromane, Dan Brown, Stephen King, Wolfgang Hohlbein, Iny Lorentz und wie sie alle heißen, auf der anderen Seite Elfriede Jelinek, Durs Grünbein, Thomas Lehr und andere eher schwer zugängliche Autoren, die niemals in den Verdacht geraten könnten, die Menschen grundsätzlich erstmal unterhalten zu wollen.

Dazwischen ist natürlich viel Platz und die Grenzen werden willkürlich gezogen. Meistens von Menschen, die sich selber beziehungsweise ihren Konsum eher auf der ernsten Seite ansiedeln würden. Literatur lebt, wie jede andere Kunstform auch, unter anderem durch Dünkel. Durch das Bedürfnis sich abzugrenzen und als etwas Besseres oder – im Fall der sogenannten Unterhaltungsliteratur – nicht Schlechteres zu sehen. Und es gibt jede Menge Menschen, die diese Unterscheidung nicht mehr machen, weil sie sie als veraltetet und einengend empfinden. Grundsätzlich würde ich mich dazuzählen wollen. Aber auch ich bin nicht frei von Dünkel und Anflügen von Kulturpessimus und etwas, das wir gerne auch Besserwisserei nennen können.

Am Freitag habe ich im Zug auf meinem Platz die erste Ausgabe 2006 des Magazins des Deutschen Bundeswehrverbandes gefunden. Ich habe es durchgeblättert und es gäbe jede Menge, was man da berichten könnte, aber aus selbstbezogenen Gründen, hat mich die mit Literatur betitelte halbe Seite am meisten beeindruckt. Da wurden sechs Bücher besprochen: Alonso I - Der neue König, Auto Jahr, Grand Prix, Renntransporter, Der legendäre BMW 507, Das neue große Porsche 0911-Buch. Literatur. Große Literatur. Nehme ich an. Aber für mich immer noch eine Stufe unter der Literatur, die man auf der Rückseite der Cornflakes Packung findet.

04 / 2006
ZEIT ONLINE