Senioren
Horror in beige
Sie belegen die Sitzplätze, stellen nervige Fragen und können sich eh nichts mehr merken. Sebastian Dalkowski fordert diese Woche: Alte müssen aus der Uni verschwinden.
"Ich betrat einen der mittelgroßen Hörsäle, zwanzig ganz junge Frauen und Männer warteten schon, immer neue kamen (...). Endlich kletterte ein Seniorstudent in die Mitte meiner Reihe. Ich grinste ihn an: "Toll, da bin ich ja nicht der einzige Seniorstudent". Er lachte herzlich: "Sie werden nie der Einzige sein!""
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Bericht eines Rentnerstudenten
Als ich die Menschen mit den beigefarbenen Jacken und grauen Mephisto-Lederschuhen zum ersten Mal sah, dachte ich noch: Aha, die Volkshochschule macht einen Ausflug. Aber es wurden immer mehr und ein paar Wochen später war mir klar: Das ist ein strukturelles Problem. Alte Menschen werden ermutigt, die Universität zu besuchen. Schuld daran war der Rektor meiner Uni. Seine Begeisterung über die Studiengebühren nehme ich ihm nicht so übel wie solche Sätze: "Das Gasthörer- und Seniorenstudium wird im Leitbild zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Es ist aber ein elementarer Baustein für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit."
Ich will es an dieser Stelle einmal offen aussprechen: Alte müssen aus den Universitäten verschwinden. Ich höre schon den Einwand: Jeder hat ein Recht auf Bildung. Gut gebrüllt, aber was ist, wenn die ergrauten Kommilitonen mein Recht auf Bildung einschränken? Es ist doch so: Ich studiere an einer Universität, in der Hörsäle und Seminare ohnehin schon überfüllt sind und Sitzplätze kaum noch zu bekommen. Und wer hat trotzdem immer einen? Richtig, meine älteren Mitstudierenden. Weil sie bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung eintreffen und drei Viertel der Plätze mit ihren Aktentaschen und Opa-Hüten belegen. Jene Menschen also, die nur zum Vergnügen studieren, sitzen, während die, die hier an ihrer Zukunft arbeiten, stehen.
Lasst uns vernünftig sein. Was bringt es, wenn ein 70-Jähriger sich noch die Grundzüge der französischen Revolution aneignet? Mehr als Konversation im Altersheim wird er damit ohnehin nicht mehr machen können. Ganz abgesehen davon, dass die meisten das Gehörte sowieso nicht werden behalten können. Das Gedächtnis wird im Alter bekanntlich sehr schlecht.
Das Platzproblem hat mittlerweile auch mein Uni-Rektor erkannt und sagt, dass die Sache "ohne Beeinträchtigung der jüngeren Studierenden" ablaufen müsse. Nur wo beginnt die Beeinträchtigung? Wenn selbst auf der Fensterbank kein Platz mehr für mich ist? Wenn ich den Dozenten nicht mehr hören kann, weil ich auf dem Flur stehen muss?
Hinzu kommt: Die Alten nerven. Sie halten ungefragt Monologe, weil sie ja alles miterlebt haben. Hitler, Adenauer, Brandt. Geschichte ist ihr Lieblingsfach. Meins leider auch. Sie begreifen nicht, dass man nicht zum Experten für etwas wird, bloß weil man dabei gewesen ist. Nach zehn Minuten Spontanreferat zum Thema "Als ich im Volksempfänger hörte, wie Goebbels den totalen Krieg erklärte" guckt auch der Dozent schon angestrengt auf die Uhr.
Wenn sie keine Monologe halten, stellen sie Zwischenfragen. Viele und immer unangebracht. Ihre liebste: "Kommt die Powerpoint-Präsentation auch ins Netz?" Wenn das nicht spätestens zwei Minuten nach der Vorlesung passiert, geraten sie in Panik. Vielleicht, weil ihnen nicht mehr so viel Zeit bleibt.
Bitte, liebe Rentner und Senioren. Ihr habt ein Recht auf Bildung, aber nur weil ich ein Recht habe, muss ich es ja nicht ständig einfordern. Ich fahre ja auch nicht jeden Tag zur Endstation und wieder zurück, bloß weil ich ein kostenloses Semesterticket habe. Die Universität muss wieder ein Ort für junge Menschen werden. Alt dürfen nur die Professoren sein, und der Hausmeister, der jetzt Gebäudemanager heißt. Wenn jeder dort bleibt, wo er hingehört, wird alles gut. Sonst fahren ich und viele andere Studenten ab kommendem Jahr mit der VHS in die Eifel oder zum Töpfern an die Nordsee. Wir tragen dann unsere Parka und schwarze Chucks und buchen euch extra-früh alle Plätze weg.
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15 /
2007
ZEIT online